IHK-Konjunkturumfrage Herbst 2019
Die Wirtschaft in Ostwestfalen steht angesichts der weltweiten Konjunkturabkühlung zunehmend unter Druck. Während sich die aktuelle Geschäftslage deutlich abgeschwächt hat, erreichen die Erwartungen an die kommenden zwölf Monate sogar den niedrigsten Wert seit der Finanzkrise im Jahr 2009. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Herbstkonjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), die am 5. September 2019 in der IHK in Bielefeld der Presse vorgestellt wurde. An der Umfrage von Juli bis Mitte August nahmen 1.839 Unternehmen mit 145.799 Beschäftigten teil, davon 413 Industriebetriebe mit 87.917 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Ergebnisse für Handel und Dienstleistung werden am 16. September veröffentlicht.
„Die aktuelle Lageeinschätzung ist zwar weiterhin auf einem ordentlichen Niveau, die Geschäftserwartungen die kommenden zwölf Monate haben sich hingegen erneut verschlechtert. Die im Frühjahr absehbare Abkühlung der Konjunktur ist leider ein Stück weit Realität geworden“, sagte IHK-Präsident Wolf D. Meier-Scheuven. Der IHK-Konjunkturklimaindex, der die momentane Lage und die Zukunftserwartungen berücksichtigt, ist für die gesamte ostwestfälische Wirtschaft von 120 auf 104 Punkte gesunken und für die Industrie auf 98 Punkte zurückgegangen. Dabei steht die 100er-Linie für eine ausgeglichene Stimmung, bei der sich optimistische- und pessimistische Einschätzungen die Waage halten.
Ihre aktuelle Lage bezeichnen 28 Prozent der befragten Industrieunternehmen als „gut“ (Herbst 2018: 63 Prozent), 62 Prozent als „befriedigend“ (Herbst 2018: 34 Prozent) und zehn Prozent als „schlecht“ (Herbst 2018: drei Prozent). Für die kommenden zwölf Monate rechnen nur noch zwölf Prozent mit einer weiter verbesserten Geschäftslage, und 58 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Die Anzahl der Pessimisten ist von 18 Prozent (Frühjahr 2019) auf rund 31 Prozent gestiegen. Auch bei der Ertragslage ist ein Stimmungsumschwung erkennbar: ihre momentane Ertragslage bewerten nur noch knapp 22 Prozent als gut (Herbst 2018: 54,8 Prozent). „Die derzeitige Geschäftssituation in der ostwestfälischen Industrie hat nicht nur an Dynamik verloren, sondern mittlerweile den Sinkflug eingeleitet“, lautet Meier-Scheuvens Fazit.
Und dieser Trend setze sich fort: „Das jahrelange Wachstum in der ostwestfälischen Industrie kommt offensichtlich nach und nach zum Stillstand.“ Insgesamt seien die Geschäftsaussichten für die kommenden zwölf Monate aufgrund der unkalkulierbaren Risiken des bevorstehenden Brexits und diverser Handelskonflikte deutlich gedämpft. Dass die Unternehmen zurzeit stark unter Druck stünden, zeige sich auch an den Beschäftigungs- und Investitionsplänen: Mit sinkenden Investitionen rechnen 36 Prozent der Betriebe (Herbst 2018: elf Prozent). Insbesondere bei Investitionen in Kapazitätserweiterungen und bei Auslandsinvestitionen hielten sich die Unternehmen spürbar zurück. So wollen zwölf Prozent der Firmen ihre Auslandsinvestitionen steigern, vor einem Jahr waren es noch 44 Prozent. Lediglich 22 Prozent der Unternehmen planen, in den kommenden zwölf Monaten neues Personal einzustellen (Herbst 2018: 39 Prozent).
Auch bei den Erträgen rechnen nur noch 15 Prozent der Industriebetriebe mit einem weiteren Zuwachs, 44 Prozent gehen von sinkenden Erträgen aus. Von der Politik forderte Meier-Scheuven, die Unternehmen zu entlasten: „Die deutsche Politik kann zwar die internationalen Handelskonflikte nicht im Alleingang lösen, aber bei den innerdeutschen Hausaufgaben könnte sie Impulse setzen, beispielsweise bei den Unternehmenssteuern.“ Während der Durchschnitt der Steuerbelastung für Unternehmen in den westlichen Industrieländern bei rund 24 Prozent liege, zahlen Personen- und Kapitalgesellschaften hierzulande rund 30 Prozent Unternehmenssteuern – teilweise sogar noch mehr.
„Wenn wir hier nicht gegensteuern, wird die deutsche Wirtschaft bei weiter nachlassender Konjunktur regelrecht in die Zange genommen“, mahnt der IHK-Präsident. So plane die Regierung zwar eine Reform beim Solidaritätszuschlag. Nach den bisherigen Plänen würden aber mittelgroße Personenunternehmen sowie sämtliche Kapitalgesellschaften den „Soli“ weiterhin zahlen. Neben einem modernen Steuerrecht seien Investitionen in Bildung und digitale Infrastruktur sowie weniger Bürokratie wichtig.
„Auch die Statistiken des Landesbetriebes Information und Technik NRW für Ostwestfalens Industrie zeigen für das erste Halbjahr durchaus erste konjunkturelle Bremsspuren“, ergänzte IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff. Die Gesamtumsätze des Verarbeitenden Gewerbes lagen im ersten Halbjahr bei knapp 22,08 Milliarden Euro und damit um 62 Millionen Euro unter dem Vorjahr (Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigte). Im Inland sanken die Umsätze um 0,7 Prozent auf knapp 13,5 Milliarden Euro. Das leichte Plus von 0,4 Prozent bei den Auslandsumsätzen auf 8,6 Milliarden Euro konnte diesen Rückgang nicht ausgleichen. Die Exportquote Ostwestfalens beträgt aktuell 39,0 Prozent. Dabei habe sich die regionale Industrie mit einem Umsatzminus von 0,3 Prozent noch besser als in NRW (- 1,7 Prozent) und im Bund (- 0,4 Prozent) entwickelt.
Auch bei der Beschäftigtenentwicklung steht Ostwestfalens Industrie besser da als Land und Bund. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Beschäftigten in Ostwestfalen um 3,6 Prozent gestiegen. NRW und Deutschland liegen hier jeweils bei 1,6 Prozent. In Ostwestfalen waren im Verarbeitenden Gewerbe im Durchschnitt des ersten Halbjahres 171.552 Personen beschäftigt. Allerdings zeige die monatliche Entwicklung hier einen eher negativen Trend, so Niehoff.