IHK-Herbstkonjunkturumfrage 2020
Die Corona-Pandemie dominiert immer noch die Lage der gewerblichen Wirtschaft in Ostwestfalen, allerdings kehrt in weite Teile der Wirtschaft vorsichtiger Optimismus zurück. Zu diesem Ergebnis kommt die Herbstkonjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), die am 30. September beim Pressegespräch in der IHK in Bielefeld vorgestellt wurde. „Die Konjunktur gibt es zurzeit nicht, denn einzelne Teilbranchen sind von der Pandemie sehr unterschiedlich betroffen“, betonte IHK-Präsident Wolf D. Meier-Scheuven und erläuterte: „Innerhalb der Industrie tun sich zwischen Maschinenbauer und Lebensmittelhersteller ebenso große Differenzen auf wie beispielsweise im Handel zwischen Fahrradhändler und Bekleidungsgeschäft.“
Die Umfrage fand von Mitte August bis Mitte September statt. Daran beteiligten sich insgesamt 1.813 Unternehmen mit 128.715 Beschäftigten aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistung, darunter 372 Industriebetriebe mit 77.501 Beschäftigten. Der IHK-Konjunkturklimaindex, der die Einschätzungen der momentanen Lage und die Zukunftserwartungen gleichermaßen berücksichtigt, ist für die gesamte ostwestfälische Wirtschaft von 63 auf 102 Punkte gestiegen. Die 100er-Linie steht für eine ausgeglichene Stimmung, wenn sich Optimisten und Pessimisten im Saldo die Waage halten.
„Diese Entwicklung fußt im Wesentlichen auf deutlich verbesserten Erwartungen der Unternehmen, sie zeigt ein Gefühl der Erholung“, erklärte Meier-Scheuven. Für die ostwestfälische Industrie liegt der aktuelle Indexwert ebenfalls bei 102 Punkten, er hat sich sogar noch stärker verbessert, denn er lag zuvor bei 56 Punkten. Auch die Werte für den Handel und die Dienstleister sind stark angestiegen, im Handel von 69 auf 93 und bei den Dienstleistern von 76 auf 106 Punkte.
Die Einschätzungen zur momentanen Geschäftslage der Industrie haben sich gegenüber der Sonderumfrage im Frühsommer verbessert. Insbesondere die „schlecht“-Bewertungen sind mit aktuell 25 Prozent deutlich zurückgegangen (Mai/Juni: 46 Prozent). Der Saldo aus den „gut“ und „schlecht“-Bewertungen bleibe aber negativ. Weiterhin schwach sind laut IHK-Umfrage das Investitionsniveau und die Produktionsauslastung in der Industrie.
Nur 17 Prozent der Betriebe hätten im bisherigen Jahresverlauf mehr investiert als im Vorjahr, fast 60 Prozent der Industriebetriebe ihre Investitionen gesenkt oder erst einmal auf Eis gelegt. Die Bewertung der Ertragslage habe sich dagegen wieder etwas verbessert, bleibe aber angespannt. Unzufrieden mit ihren bisherigen Erträgen seien 26 Prozent, ihre Ertragslage mit „gut“ bewerteten 19 Prozent.
Zwar spüre jeder zweite Betrieb keine negativen Auswirkungen auf seine Finanzierungssituation, die andere Hälfte jedoch berichte von einem Eigenkapitalrückgang (22 Prozent), zunehmenden Forderungsausfällen (21 Prozent) oder einem erschwerten Fremdkapitalzugang bzw. hohen Fremdkapitalkosten (15 Prozent). „Eine konkrete Hilfe für Unternehmen wäre eine Ausweitung der Verlustverrechnung, denn damit bekommen sie akute Unterstützung und eine Stabilisierung über die Krisenmonate hinaus“, unterstrich der IHK-Präsident. Wer in diesem Jahr Verluste mache, soll diese noch stärker nicht nur mit Gewinnen aus 2019, sondern auch aus den Jahren davor verrechnen können. Damit bekämen Unternehmen ihnen zustehende Steuererstattungen schon jetzt und nicht erst im nächsten Jahr. „Das wäre ein sehr wirkungsvolles Mittel, denn die Betriebe brauchen jetzt Geld.“
Die Erwartungen der Industrie haben sich der Befragung nach aufgehellt: Zum Herbst gehen 36 Prozent der Unternehmen von einer günstigeren Geschäftslage in den kommenden 12 Monaten aus (Mai/Juni: 13 Prozent), eine Verschlechterung erwarten 22 Prozent (Mai/Juni: 65 Prozent). Für einen Umschwung bei der Beschäftigung genügten die zarten Hoffnungen auf eine Besserung aber leider nicht. Der Beschäftigungssaldo bleibe tief im negativen Bereich und in der Industrie sei definitiv ein Beschäftigungsabbau zu erwarten.
Die Politik müsse deshalb mit Wachstumsimpulsen unterstützen. „Das Geld für die Sicherung von Lebensumständen und der Unternehmen war richtig und notwendig. Aber nur über Wirtschaftswachstum können Unternehmen Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland erhalten – und Bund, Länder und Kommunen wieder höhere Steuereinnahmen erzielen“, hob Meier-Scheuven hervor. Gerade in den Kommunen müssten die Belange der Unternehmen mehr in den Vordergrund rücken. Außerdem komme es darauf an, dass die Exportgeschäfte wieder anliefen. Aus Sicht der Unternehmen sei es deshalb sinnvoll, die pauschale weltweite Reisewarnung auslaufen zu lassen. Darüber hinaus sei es wichtig, dass die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien mit einem Vertrag mit klaren Prioritäten geregelt würden.
„Die amtlichen Statistiken bilden die aktuell immer noch schwierige Lage für viele Unternehmen ab“, berichtete IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke bei der Vorstellung der Zahlen zum Verarbeitenden Gewerbe. Demnach betrugen die Gesamtumsätze der Industrie in Ostwestfalen in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 24,5 Milliarden Euro (- 5,7 Prozent). Die Umsätze seien dabei sowohl im Ausland (-4,6 Prozent) als auch im Inland (-6,4 Prozent) rückläufig gewesen.
Ostwestfalens Industrie habe sich dabei immerhin noch besser entwickelt als NRW (-12,5 Prozent) und der Bund (-13,4 Prozent). Im Durchschnitt der ersten sieben Monate waren in Ostwestfalens Industrie 169.674 Frauen und Männer beschäftigt. „Das sind 1,5 Prozent weniger als im Vorjahresvergleichszeitraum und liegt ungefähr auf dem Niveau von Land mit einem Minus von 1,6 Prozent und Bund mit -1,7 Prozent. Man sieht an diesem eher moderaten Beschäftigungsabbau, dass das Mittel der Kurzarbeit wirkt“, erläuterte Pigerl-Radtke.