„Trotz einer noch relativ guten momentanen wirtschaftlichen Lage sind die Aussichten der Paderborner Wirtschaft für das Jahr 2023 stark getrübt. Ein Rückgang der Auftragseingänge bei der Industrie, ein gedämpftes Geschäft im Handel, verbunden mit weiter hohen Energiepreisen und Inflationsraten sowie schlechten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, sind Gründe für die Unternehmen im Kreis, die Geschäftserwartung tendenziell pessimistisch zu beurteilen,“ kommentiert Thilo Pahl, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), die Ergebnisse der IHK-Herbst-Konjunkturumfrage. An der Untersuchung, an der sich aus dem Kreis Paderborn knapp 300 Unternehmen mit insgesamt fast 20.000 Beschäftigten aus Industrie, Handel und Dienstleistung beteiligten, sind überwiegend negativ ausgefallen.
„Die Auswirkungen des Ukrainekrieges und der Energiewende sind hohe Energiekosten und eine hohe Teuerungsrate. Diese Einflüsse wirken sich nicht nur auf die international vernetzte Industrie aus, sondern sie haben natürlich auch mittelbar Auswirkungen auf Handel und Dienstleistung. Insofern stehen die Ergebnisse der Konjunkturumfrage für den Kreis Paderborn weiter unter dem Vorbehalt der hohen Unsicherheit im Zusammenhang mit diesen Faktoren“, betont Pahl bei der heutigen (14. September) Vorstellung der Umfrageergebnisse in Paderborn. „Wir können die Risiken wie die stockende Inlandsnachfrage, den Fachkräftemangel aber auch die immer schlechter werdenden wirtschaftspolitischen Rah-menbedingungen in ihrer Wirkung und Dauer nicht mit 100-prozentiger Sicherheit einschätzen. Wir meinen aber, dass unsere Konjunkturumfrage trotzdem eine gute Basis für die Bewertung der wirtschaftlichen Entwicklung im Kreis Paderborn darstellt“.
Die Konjunkturdaten aus der IHK-Untersuchung sind für die Dienstleistungen und den Handel noch im positiven Bereich. Beim Handel ist ausschließlich der positiv beurteilende Lebensmitteleinzelhandel ausschlaggebend für das relativ gute Ergebnis. Die Industrie beurteilt die Lage eher pessimistisch.
„Der Konjunkturklimaindikator, der die momentane Lageeinschätzung der Betriebe mit ihren Erwartungen in Relation setzt, ist für den Gesamtindikator über alle drei Sektoren mit 109 Punkten im positiven Bereich“, berichtet Jürgen Behlke, IHK-Geschäftsführer und Leiter der Zweigstelle Paderborn + Höxter. Die 100-er Linie markiert die Grenze zwischen einer positiven oder negativen Stimmung. Der Wert für die Industrie sei dabei von dem noch schlechteren Wert im Herbst 2022 mit 77 Punkten auf 88 Punkte gestiegen. Der Wert unter 100 liege besonders an der im Saldo schlechten Erwartungen. Der Wert für die Dienstleister ist erfreulicherweise wieder angestiegen. Behlke: „Hier steigt er auf sehr gute 120 Punkte, was mit den positiveren Aussichten größerer Unternehmen, aber auch der relativ guten Lage beispielsweise bei den IT-Dienstleistern oder Unternehmensberatungen, zusammenhängt. Der Handels-Index steigt von historisch schlechten 52 auf 120 Punkte, was in erster Linie an der noch guten Lage im Lebensmitteleinzelhandel liegt.“
Die momentane Geschäftslage stelle sich in den Sektoren tendenziell ähnlich dar. 16 Prozent der Firmen aus dem Handel, 30 Prozent bei den Dienstleistern und 37 Prozent der Industrieunternehmen betrachteten ihre jetzige Lage als gut. In der Industrie betrachten demgegenüber 38 Prozent der Unternehmen die Lage als schlecht. Diese Einschätzung spiegele die momentane Produktionsauslastung wider: 40 Prozent – gegenüber 16 Prozent im Herbst 2022 – lägen mit der Auslastung ihrer Produktionskapazität unter 80 Prozent. Leider rechnen 42 Prozent der Befragten in der Industrie mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage in den nächsten zwölf Monaten. Dem stünden nur 20 Prozent gegenüber, die eine Verbesserung erwarteten. Behlke: „Die angespannte Lage bei den Energiepreisen, aber auch bei der Verfügbarkeit von Fachkräften ist in die Bewertungen der Unternehmen natürlich eingeflossen. Dazu kommt die eingetrübte weltwirtschaftliche Lage.“Nahezu alle Branchen gehen wegen der angespannten Geschäftslage und der unsicheren Zukunft, vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit von Fachkräften, von einem Beschäftigungsabbau aus. Die Konjunkturrisiken sind branchenübergreifend mit unterschiedlicher Ausprägung gleich. Es dominiert das Risiko der Inlandsnachfrage, dicht gefolgt vom Personalmangel, wobei verstärkt auch wieder die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Risiko genannt werden.
Im ersten Halbjahr 2023 betrug der Gesamtumsatz des Verarbeitenden Gewerbes im Kreis Paderborn 2,995 Milliarden Euro und lag damit um knapp acht Prozent über dem Vorjahresergebnis. „Dieser Anstieg ist zum zweiten Mal in Folge hoch und zeigt, dass die Industrie die Verluste aus 2020 gut ausgeglichen hat“, führt Behlke aus. „Bei der Beschäftigungsentwicklung verzeichnet der Kreis Paderborn mit einem Plus von 5,8 Prozent ebenfalls einen hohen Wert“.
Wichtig im Zusammenhang mit der konjunkturellen Entwicklung sind auch die Standortfaktoren insbesondere im internationalen Vergleich. Die Unternehmen mahnen in der aktuellen IHK-Umfrage neben der Fachkräftethematik besonders die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen, die sichere und bezahlbare Energieversorgung, die Komplexität und Höhe der Steuern und vor allem die überbordende Bürokratie an. „Hier muss die Politik noch Wesentliches optimieren, um die von der Wirtschaft geforderten guten Rahmenbedingungen zu schaffen“, so Behlke.