Eine gute Nachricht: Großbritannien und die EU haben sich in allerletzter Minute doch noch auf einen „Deal“ geeinigt. „Wir müssen den Inhalt zwar jetzt erst einmal genauer analysieren und vor allem ein wenig abwarten, was das Abkommen für die Praxis bedeutet, aber unsere Unternehmen haben jetzt zumindest Planungssicherheit. Vor allem diese wurde in jüngster Zeit immer lauter eingefordert“, sagt Harald Grefe, Geschäftsführer International der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK).
Gerade in Zeiten der Corona-Krise, zunehmender Handelskonflikte und globalem Protektionismus sei es im Interesse aller Seiten, dass die EU ihre Beziehungen mit dem UK so eng wie möglich gestaltet. Dennoch seien Einschränkungen in den Lieferketten und lange Wartezeiten an den Grenzen nicht vom Tisch, da es auf britischer Seite noch immer keine funktionierende ausreichende Infrastruktur für die Zollabwicklung gebe, so Grefe weiter.
Immerhin haben deutsche Unternehmen 2.500 Niederlassungen in Großbritannien und beschäftigen dort über 400.000 Mitarbeiter. Rund 500 Unternehmen aus Ostwestfalen unterhalten Exportbeziehungen mit Großbritannien, davon 60 mit eigenen Niederlassungen oder Produktionsstandorten auf der Insel.
Nach Schätzungen der IHK belief sich das Exportvolumen ostwestfälischer Unternehmen nach Großbritannien 2019 auf über eine Milliarde Euro, womit diese Beziehungen Arbeitsplätze auch in der Region sicherten.
Bereits die Brexit-Unsicherheiten der Vergangenheit hätten deutliche Spuren hinterlassen, erinnert Grefe. „Seit dem Referendum im Jahr 2016 sind die deutschen Exporte auf die britische Insel merklich gesunken – von 89 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 79 Milliarden Euro im Jahr 2019. Dadurch ist das Vereinigte Königreich von Rang 3 auf Rang 7 der wichtigsten deutschen Handelspartner abgerutscht.“
Dieser Trend setzte sich auch in 2020 fort – und werde durch die Corona-Krise noch zusätzlich verschärft. „Die deutschen Exporte sind im ersten Halbjahr 2020 um fast 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, damit steht Großbritannien nun sogar nur auf Rang 8.“
Für die Unternehmen ist es Grefe zufolge umso wichtiger, dass die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nun mit klaren Prioritäten geregelt werden: „EU-Binnenmarkt zusammenhalten, Zölle vermeiden, Transportwege aufrechterhalten und die Bürokratie beim Warenaustausch so niedrig wie möglich halten.“
Die IHK steht weiter mit Rat zur Seite und hält unter anderem eine Checkliste vor (www.ihk.de/brexitcheck), die aufzeigt, wo noch Handlungsbedarf besteht.