Die deutsche Wirtschaft befindet sich aktuell bestenfalls in einer Stagnation. Und auch die ostwestfälische Wirtschaft spürt die Krise. „In der Industrie, im Handel und in der Dienstleistungsbranche ist auch im Kreis Gütersloh keine schnelle Erholung zu erkennen.
Gerade in der Industrie ist aber die aktuelle Lage schlechter als die Erwartungen, was zumindest hoffen lässt, dass wir die Talsohle erreicht haben“, sagt Dr. Markus Miele, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), am 9. Oktober bei der Vorstellung der IHK-Herbstkonjunkturumfrage für den Kreis Gütersloh.
An der Erhebung haben sich 415 Unternehmen mit rund 36.750 Beschäftigten beteiligt. Darunter waren 96 Industriebetriebe mit gut 25.200 Beschäftigten.
Der IHK-Klimaindex für die gesamte Wirtschaft im Kreis Gütersloh ist gegenüber dem Frühjahr zwar von 92 auf 97 Punkte gestiegen, liegt damit aber weiterhin unter der 100er-Linie. Diese steht für eine ausgeglichene Stimmung, bei der sich Optimisten und Pessimisten die Waage halten.
Trotz der angespannten konjunkturellen Situation und hohen Umsatzrückgängen bleibt der Kreis Gütersloh der mit Abstand industriestärkste Kreis im IHK-Bezirk. Die Gesamtumsätze der Industriebetriebe ab 50 Beschäftigte im Kreisgebiet sind der amtlichen Statistik zufolge in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 17 Prozent auf knapp 11,9 Milliarden Euro gesunken.
„Allerdings vergleichen sie sich noch mit sehr guten Vorjahreszahlen. Dies erklärt zum Teil das hohe Umsatzminus“, erläutert Arne Potthoff, IHK-Referatsleiter für Industrie und Wirtschaftspolitik. Gegenüber dem Vorjahr sanken die Inlandsumsätze um 16,6 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro. Die Auslandsumsätze gingen bis Ende Juli auf 5,1 Milliarden zurück (-17,6 Prozent). Die Exportquote beträgt damit aktuell 43,3 Prozent.
Mit diesen Entwicklungen schneidet die Industrie im Kreis Gütersloh deutlich schwächer ab als ganz Ostwestfalen (-11,3 Prozent), NRW (-4,5 Prozent) sowie Deutschland (-4,0 Prozent).
„Diese kurzfristige Betrachtung verzerrt aber die mittelfristige Entwicklung, die im Kreis Gütersloh deutlich besser war als in Ostwestfalen, NRW und Deutschland insgesamt“, ordnet Potthoff ein. Nach zwei Jahren mit – auch preisgetrieben – starken Umsatzzuwächsen liegen die Erlöse über denen des Jahres 2021. „Aber bei deutlich höheren Kosten“, ergänzt Miele.
Die Zahl der Industriebetriebe, die ihre aktuelle Geschäftslage mit „gut“ bewerten, ist vom Tiefstwert im Frühjahr mit 10,5 Prozent auf nun rund 16 Prozent gestiegen. Die „schlecht“-Bewertungen sind im Gegenzug von 47 auf 42 Prozent gesunken. Ein kaum besseres Bild zeigt sich bei der Bewertung der Ertragslage.
Und auch die Auslastung der Produktionskapazitäten ist unerfreulich. Die Zahl der zu weniger als 80 Prozent ausgelasteten Betriebe hat sich gegenüber dem Frühjahr von sieben auf 32 Prozent deutlich erhöht. Zu mehr als 95 Prozent ist indes nur fast jedes zehnte Unternehmen ausgelastet.
Der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate bleibt relativ trüb. Zwar gehen knapp 28 Prozent der Industrieunternehmen im Kreis von einer günstigeren Geschäftslage aus, knapp 14 Prozent von einer Verschlechterung. Bei den Umsätzen erwarten für das Inland 30 Prozent steigende Umsätze und 31 Prozent sinkende. Bei den Auslandsumsätzen rechnen 35 Prozent mit einem Plus, 20 Prozent erwarten Rückgänge.
Die insgesamt dürftigen Aussichten wirken sich auch auf die Investitionspläne aus: Nur 19 Prozent der Betriebe wollen mehr investieren, 13 Prozent ihre Investitionen senken. „Die Investitionsmotive verdeutlichen die aktuelle Misere noch einmal“, sagt Miele. „Denn weiterhin spielen Kapazitätserweiterungen kaum eine Rolle. Wie im Frühjahr geben nur 20 Prozent an, mit Investitionen auch Kapazitäten erweitern zu wollen.“
Ersatzbeschaffung bleibt das beherrschende Investitionsmotiv, das sagen aktuell 93 Prozent. „Erfreulich ist, dass im Kreis Gütersloh zumindest Produktinnovationen als Investitionsmotiv eine überdurchschnittlich große Rolle einnehmen“, erklärt Miele. Zwei Drittel planen, in Produktinnovationen zu investieren.
Die aktuelle Geschäftslage und die nach wir vor schwachen Erwartungen schlagen auf die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt durch. Nur neun Prozent der Industriebetriebe planen einen Personalaufbau, 35 Prozent einen Abbau – im Frühjahr sagten dies sogar noch 74 Prozent. Dass einige ihre Pläne diesbezüglich umgesetzt haben, zeigt ein Blick in die amtliche Statistik:
Die Beschäftigtenzahl in der Industrie ist von April bis Juli um mehr als 1.700 gesunken auf 64.691 Mitarbeitende. Bei der Gesamtbeschäftigtenzahl ist schon zuvor ein langjähriger Trend gebrochen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Kreis Gütersloh lag Ende 2023 mit 182.605 um 3,5 Prozent unter dem Vorjahreswert. Seit 2009 war sie mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020 stetig gestiegen, insgesamt um rund 50.000 Beschäftigte.
Personalmangel bleibt in der Industrie im Kreis Gütersloh trotzdem eines der am meisten genannten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung, 44 Prozent der Betriebe sagen dies. Deutlich häufiger werden als Top-Risiken nur die Inlandsnachfrage (85 Prozent) und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen (77 Prozent) genannt.
Als weitere Risiken gelten vor allem die Auslandsnachfrage (46 Prozent) und – mit stark steigendem Trend – die Arbeitskosten (43 Prozent). „Von vielen Unternehmen werden die ausufernde Bürokratie sowie fehlende Planungssicherheit und Verlässlichkeit bei den offenen Nennungen zum Risiko der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen aufgezählt“, erläutert Miele.
Im Handel haben sich gegenüber dem Frühjahr die Einschätzungen kaum verändert. Weiterhin knapp jeder vierte Einzel- und Großhändler spricht von einer guten aktuellen Geschäftslage, insgesamt 24 Prozent bezeichnen sie jedoch als „schlecht“ (Frühjahr: 19 Prozent). Beim Ausblick auf die kommenden zwölf Monate erwarten 17 Prozent Verbesserungen, 28 Prozent eine Verschlechterung.
Die aktuelle Geschäftslage der Dienstleister bleibt auf einem etwas besseren Niveau: 27 Prozent bezeichnen sie als „gut“, 23 Prozent als „schlecht“. Die Aussichten sind aber wenig optimistisch: 18 Prozent erwarten eine Verbesserung, 26 Prozent eine Verschlechterung.