Während die aktuelle Geschäftslage von den Unternehmen in vielen Bereichen positiv beurteilt wird, bremsen vielfältige Risiken die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Frühjahrskonjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), deren Ergebnisse am 10. März 2023 in der IHK in Bielefeld vorgestellt wurden. An der Umfrage haben sich insgesamt 1.651 Unternehmen mit 112.207 Beschäftigten beteiligt, darunter waren 299 Industriebetriebe mit 64.637 Mitarbeitenden.
„Die gute Nachricht ist, dass die ostwestfälische Wirtschaft bislang ganz gut durch die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise gekommen ist. Der Krisenmodus ist schon fast zum Normalzustand für die Wirtschaft geworden. Erst Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, nun seit einem Jahr der Ukraine-Krieg mit der daraus resultierenden Energiekrise.
Ein Fragezeichen müssen wir aber hinter die zukünftige konjunkturelle Entwicklung setzen. Die multiplen Risikofaktoren lassen die Erwartungen in der Industrie zumindest deutlich zurückgehen“, sagt IHK-Präsident Jörn Wahl-Schwentker. So sei der IHK-Konjunkturklimaindex für die gesamte ostwestfälische Wirtschaft von 100 im Herbst 2022 auf 97 Punkte im Frühjahr 2023 gesunken, der für die Industrie von 104 auf 98 Punkte. Die 100er-Linie steht für eine ausgeglichene Stimmung, bei der sich Optimisten und Pessimisten die Waage halten.
Während die Einschätzungen zur momentanen Geschäftslage stabil geblieben seien, seien die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate gegenüber der IHK-Herbst-Konjunkturumfrage 2022 schwächer geworden. Aktuell beurteilten 31 Prozent der Industrieunternehmen ihre Geschäftslage mit „gut“, die Anzahl der „schlecht“-Bewertungen ist sogar von 18 auf 14 Prozent im Vergleich zur Befragung im Herbst zurückgegangen.
Auch das Investitionsverhalten der Industriebetriebe war angesichts des schwierigen Umfelds gut, über ein Drittel der befragten Unternehmen hat mehr als im Vorjahreszeitraum investiert. Bei etwas mehr als der Hälfte der Betriebe war die Produktionskapazität zu über 95 Prozent ausgelastet.
Die Erwartungen der Industrieunternehmen für die kommenden zwölf Monate sind jedoch zurückhaltend. So gehen – wie im Herbst 2022 – 14 Prozent der Unternehmen von einer günstigeren Geschäftslage aus, allerdings erwarten 31 Prozent eine Verschlechterung (Herbstumfrage: 21 Prozent). Somit hat es bei den Erwartungen eine Verschiebung von „gleichbleibend“ zu „schlechter“ gegeben.
Als aktuelles Top-Risiko nennen die Unternehmen die Inlandsnachfrage: 69 Prozent erwarten kaum Impulse aus dem Inlandsgeschäft. Die Energiepreise rangieren bei der Rangfolge der Konjunkturrisiken mit 68 Prozent annähernd gleich auf Platz zwei. Für 61 Prozent der Befragten gehören die Rohstoffpreise zu den weiteren Risikofaktoren, 59 Prozent rechnen auch den Personalmangel dazu. Zum ersten Mal wurde nach gestörten Lieferketten gefragt – mit 46 Prozent schaffte es das Risiko gleich unter die Top 5.
Bei der Entwicklung der Inlandsumsätze äußern die Unternehmen sich eher zurückhaltend, bei den Auslandsumsätzen gehen immerhin 54 Prozent von steigenden Exportzahlen aus. „Umsätze sind gegenwärtig ohnehin ein schwieriger Gradmesser. Aufgrund der hohen Inflation und deutlich gestiegener Preise auf allen Ebenen der Wertschöpfung ist der Umsatz allein kein guter Indikator für den Zustand der Wirtschaft“, sagt Wahl-Schwentker.
Während ein Fünftel der Industrie in den kommenden zwölf Monaten mehr investieren will, planen 32 Prozent der Betriebe, die Auslandsinvestitionen zu erhöhen. Der IHK-Präsident: „Es ist noch zu früh, hieraus einen nachhaltigen Trend abzulesen. Aber wir müssen uns Gedanken über die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland machen.
Allein bei den Energiepreisen ist Deutschland beispielsweise gegenüber den USA nicht wettbewerbsfähig. Gefährlich wäre ein schleichender Verlust an industrieller Wertschöpfung, die in andere Länder abfließt.“ Positiv sei, dass trotz der unsicheren Perspektive mehr Unternehmen ihr Personal aufstocken (32 Prozent) als abbauen wollen.
Im vergangenen Jahr konnte Ostwestfalens Industrie laut amtlicher Statistik einen neuen Rekordumsatz erzielen. So haben die Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten von Januar bis Dezember 2022 knapp 51,7 Milliarden Euro erwirtschaftet, ein Plus von 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Inlandsumsätze stiegen um 14,3 Prozent auf 31 Milliarden Euro, die Auslandsumsätze kletterten um 13,9 Prozent auf 20,6 Milliarden Euro. Die Exportquote der ostwestfälischen Industrie beträgt damit knapp 40 Prozent. Bei den Umsatzzuwächsen liegt Ostwestfalens Industrie unter den Wachstumsraten von Bund (+ 16,3 Prozent) und NRW (+ 15,7 Prozent).
„Dies liegt an den unterschiedlichen Branchenschwerpunkten in Bund, Land und Ostwestfalen. Bundesweit stechen hier besonders die Hersteller von Kraftwagen und Kraftwagenteilen hervor. Deren Umsatzanteil liegt bei über einem Viertel am Gesamtumsatz der deutschen Industrie“, erläutert IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke die Zahlen.
Auch Grundstoffindustrien wie die Chemieindustrie, die Metallerzeugung oder die Mineralölverarbeitung haben ihre Umsätze deutlich steigern können. Auch diese Branchen haben in Ostwestfalen deutlich weniger Gewicht als im Bund oder in NRW.
Im Jahresdurchschnitt waren in Ostwestfalens Industrie 172.210 Mitarbeitende beschäftigt, ein Plus von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erhöhte sich zum Stichtag 30. Juni 2022 um 10.447 Personen auf 756.849 Beschäftigte.
Zu den umsatzstärksten Branchen in Ostwestfalen zählen die Hersteller von Nahrungs- und Futtermitteln (9,9 Milliarden Euro; +31,9 Prozent), der Maschinenbau (acht Milliarden Euro; +12,1 Prozent) und die Hersteller elektrischer Ausrüstungen (6,2 Milliarden Euro, +9,5 Prozent).