Die Handels- und Dienstleistungsunternehmen in Ostwestfalen befinden sich aktuell in schwierigem Fahrwasser und stehen vor großen Herausforderungen – zu diesem Fazit kommt die Frühjahrs-Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK). Daran beteiligt haben sich insgesamt 1.528 Unternehmen mit 66.075 Beschäftigten. Aus dem Handel haben 619 Firmen mit 24.889 Mitarbeitenden geantwortet, zudem haben 909 Dienstleister mit 41.186 Beschäftigten an der Erhebung teilgenommen. Die Ergebnisse sind am Freitag (1. März) in der IHK in Bielefeld vorgestellt worden.
Die Unzufriedenheit mit der aktuellen Wirtschaftspolitik ist sowohl bei den Handelsunternehmen als auch bei den Dienstleistern hoch. Darunter fallen Themen wie die Belastung durch zu viel Bürokratie, die Steuerpolitik sowie hohe Energiekosten. „Viele wirtschaftspolitische Fragen bleiben unbeantwortet. Das schlägt sich deutlich in den Erwartungen an die kommenden Monate nieder“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke.
Für den Handel konstatiert Rainer Döring, Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses, dass die Lage angespannt bleibt: „Die weiterhin erhöhte Inflation, die konjunkturelle Lage in der Industrie, hohe Energiekosten und die Konsumzurückhaltung der Konsumenten drücken die Stimmung. Die Hoffnung, dass das Weihnachtsgeschäft die Geschäftslage verbessert, wurde nicht erfüllt. Gegenüber Herbst 2023 hat sich die Stimmung leicht verschlechtert. Der Saldo bleibt negativ.“ 18 Prozent aller Handelsunternehmen stufen die aktuelle Geschäftslage als gut ein, 28 Prozent als schlecht.
„Seit dem Corona-Schock im Sommer 2020 sind die Erwartungen an die kommenden zwölf Monate, mit Ausnahme vom Herbst 2021, durchgehend im Saldo negativ. Auch in dieser Umfrage rechnet der Handel mit dem Verbleib auf einem Krisenniveau. Es gibt deutlich mehr Pessimisten als Optimisten“, so Döring. 15 Prozent der Betriebe erwarten auf Zwölfmonatssicht eine bessere, aber 39 Prozent eine schlechtere Geschäftslage.
Auch die einzelnen Handelsstufen folgen dem allgemeinen Trend: Sowohl die aktuelle als auch die erwartete Geschäftslage im Großhandel bleiben angespannt und im Saldo negativ. Aktuell beurteilen 14 Prozent der Großhändler ihre Lage als gut, ein Viertel als schlecht. „Erfahrungsgemäß ist der Großhandel oft von der konjunkturellen Lage des Verarbeitenden Gewerbes abhängig. Die schwache Industriekonjunktur schlägt sich auch im Großhandel nieder“, erläutert Döring. Lediglich 13 Prozent gehen von einer besseren Geschäftslage aus, 38 Prozent von einer schlechteren. Die Ertragslage im Großhandel wird ebenfalls mehrheitlich als schlecht bewertet.
Im Einzelhandel bleibt die aktuelle Geschäftslage schwierig und ist im Saldo negativ. „Die Erwartungen an die nächsten Monate verlaufen seit Frühjahr 2023 auf einem konstant negativen Niveau. Eine Verbesserung der Geschäftslage ist nicht in Sicht“, unterstreicht Döring. So gingen 19 Prozent von einer besseren, 38 Prozent von einer schlechteren Geschäftslage aus. Für 24 Prozent der befragten Einzelhändler hat sich ihre aktuelle Ertragslage verbessert, für 48 Prozent hingegen verschlechtert. Für die kommenden zwölf Monate erwarten nur 13 Prozent steigende, aber 44 Prozent fallende Erträge.
Bei den Dienstleistern ist über alle Branchen hinweg die aktuelle Geschäftslage positiv. „Das Ergebnis täuscht aber über die abweichenden Ergebnisse in einzelnen Branchen hinweg, deren Geschäftslage deutlich negativ ist. Branchen, deren Geschäftsmodell auf der Digitalisierung basiert, laufen überwiegend stabil“, sagt Frank Roebers, stellvertretender Vorsitzender des IHK-Dienstleisterausschusses. „Die Zahl der Optimisten ist aktuell noch größer als die der Pessimisten. 29 Prozent beurteilen die Geschäftslage als gut, 22 Prozent als schlecht.“ Die Erwartungen an die Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten bleiben angespannt: 21 Prozent der Dienstleister gehen von einer besseren, 23 Prozent von einer schlechteren Entwicklung aus.
Die Geschäftslage der IT-Dienstleister ist im Saldo immer noch positiv, so sprechen knapp ein Drittel der Firmen von einer guten, 13 Prozent von einer schlechten aktuellen Geschäftslage. „Die Digitalisierung ist auch weiterhin ein Treiber für die Unternehmen. Knapp ein Viertel erwarten eine bessere Geschäftslage, 17 Prozent eine schlechtere. Der Saldo aus Besser-Schlechter-Meldungen zeigt nach dem Einbruch 2023 wieder leicht nach oben“, sagt Roebers. Bei den erwarteten Erträgen ist der Saldo mit minus drei leicht im negativen Bereich.
In anderen Dienstleistungsbranchen sind die Erwartungen indes zum Teil deutlich von Pessimismus geprägt, unter anderem in der Arbeitnehmerüberlassung und dem Güterkraftverkehr – zwei Branchen, die stark mit dem verarbeitenden Gewerbe verbunden sind. Die Arbeitnehmerüberlassung ist erfahrungsgemäß ein Frühindikator für sich ändernde Konjunkturlagen. Aktuell bewerten 29 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut, 47 Prozent als schlecht. Die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate sind im Saldo negativ, da 16 Prozent der Unternehmen eine bessere und 27 Prozent eine schlechtere Geschäftslage erwarten. Die aktuelle Ertragslage hat sich für 32 Prozent verbessert, aber für 57 Prozent verschlechtert. Auch die Ertragserwartungen bleiben deutlich angespannt: 17 Prozent erwarten bessere, ein Drittel der Unternehmen schlechtere Erträge. „Eine Wende ist momentan nicht in Sicht“, so Roebers.
Noch dramatischer stellt sich die Situation im Güterkraftverkehr dar: „Die aktuelle Geschäftslage im Güterkraftverkehr war seit Herbst 2009 noch nie so schlecht. Die abgekühlte Konjunktur, sinkende Auftragsbestände und eine rückläufige Nachfrage schlagen direkt durch“, betont Roebers. Nur acht Prozent der Unternehmen sprechen von einer guten gegenwärtigen Lage, 42 Prozent von einer schlechten. Auch die Erwartungen zeigen im Saldo den schlechtesten Wert seit Frühjahr 2009. 16 Prozent gehen von einer besseren Geschäftslage in den nächsten zwölf Monaten aus, 42 Prozent prognostizieren eine schlechtere.
Neben der mäßigen Auftragslage drücken hohe Energiepreise auf die Erträge. Nur sieben Prozent bezeichnen die Ertragslage als gut, aber 77 Prozent als schlecht. Roebers: „Auch die Ertragserwartungen machen mit einem negativen Saldo von minus 35 keine Hoffnung auf eine kurzfristige positive Veränderung.“