Geopolitische Spannungen, Inflation, steigende Zinsen und hohe Energiekosten prägen die momentane Lage für die Unternehmen: „Leider haben wir weniger gute Nachrichten zu verkünden. Die aktuelle Geschäftslage hat seit dem Frühjahr stark nachgegeben“, sagt Jörn Wahl-Schwentker, Präsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), bei der heutigen (5. September) Vorstellung der IHK-Herbstkonjunkturumfrage 2023 in der IHK in Bielefeld.
An der Erhebung haben sich insgesamt 1.662 Unternehmen mit knapp 122.000 Beschäftigten aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistung beteiligt. Darunter waren 307 Industriebetriebe mit gut 66.000 Beschäftigten.
Der IHK-Klimaindex für die gesamte ostwestfälische Wirtschaft ist vom Frühjahr zum Herbst recht deutlich unter die 100er-Linie gerutscht, von 97 auf 86 Punkte. Die 100er-Linie steht dabei für eine ausgeglichene Stimmung, bei der sich Optimisten und Pessimisten die Waage halten. Der Indexwert für die ostwestfälische Industrie hat von 98 auf 76 Punkte besonders stark nachgegeben. So liegt die Zahl der Industriebetriebe, die ihre aktuelle Geschäftslage mit „gut“ bewerten, bei 18 Prozent (IHK-Frühjahrskonjunkturumfrage: 31 Prozent). Die „schlecht“-Bewertungen haben sich im Gegenzug verdreifacht, von 14 Prozent auf aktuell 42 Prozent.
Die wenig zufriedenstellende Geschäftslage wirkt sich auch auf das Investitionsverhalten aus: Nur ein knappes Viertel der Betriebe hat mehr als im Vorjahreszeitraum investiert, fast jedes dritte Unternehmen hingegen weniger. Die Auslastung der Produktionskapazitäten ist besonders stark rückläufig, lediglich 17 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie zu über 95 Prozent ausgelastet sind. Im Frühjahr lag der Wert bei rund 52 Prozent.
Passend zur trüben Stimmung hat sich die Ertragslage verschlechtert. Nur 23 Prozent der Betriebe bezeichnen ihre Ertragslage als „gut“ (Frühjahr: 35 Prozent). Eine „schlechte“ Ertragslage nennen aktuell 26 Prozent der Unternehmen, nach elf Prozent im Frühjahr.
Auch der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate ist eher trüb. So gehen zehn Prozent der befragten Industrieunternehmen von einer günstigeren Geschäftslage aus, 34 Prozent erwarten eine Verschlechterung. Immerhin etwas mehr als jeder zweite Betrieb geht von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Bei den Umsätzen rechnen die Industriebetriebe weder im In- noch im Ausland mit großen Impulsen: So erwarten 29 Prozent steigende Inlandsumsätze, 44 Prozent fallende Umsätze. Bei den Auslandsumsätzen rechnen 34 Prozent mit einer Steigerung, ein gutes Viertel geht von fallenden Umsätzen aus.
Für die kommenden zwölf Monate erwarten 42 Prozent der Unternehmen sinkende Erträge, acht Prozent gehen von einer Verbesserung aus. „Gewinne oder zumindest Gewinnerwartungen sind aber eine wichtige Grundvoraussetzung für Investitionen. Deshalb ist es beunruhigend, dass die Investitionsplanungen für die Industrie sehr verhalten sind und diese nur zu einem geringen Teil in Kapazitätserweiterungen fließen sollen“, sagt Wahl-Schwentker. So wollen nur noch elf Prozent in den kommenden Monaten mehr investieren (Frühjahr: 20 Prozent). 18 Prozent der Unternehmen geben an, ihre Kapazitäten auszubauen (Frühjahr: über 40 Prozent). „Wir müssen aufpassen, dass – auch durch fehlende Investitionen – die aktuelle konjunkturelle Krise nicht zu einer strukturellen wird, weil zusätzlich zu unserer Energiekostenproblematik unsere Produktionsanlagen veralten“, mahnt Wahl-Schwentker.
Die schwachen Wachstumsimpulse wirken sich auch auf die Beschäftigungspläne der Unternehmen aus. Lediglich zehn Prozent gehen von einer wachsenden, hingegen 26 Prozent von einer sinkenden Beschäftigtenzahl aus.
Als größte Risiken bei der wirtschaftlichen Entwicklung nennen die befragten Unternehmen die Inlands- und Auslandsnachfrage sowie die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, ebenso Energie- und Rohstoffpreise.
Die Gesamtumsätze des Verarbeitenden Gewerbes aller Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten in Ostwestfalen betrugen im Zeitraum von Januar bis Juni 2023 gut 27 Milliarden Euro, ein Plus von 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit haben die ostwestfälischen Industrieunternehmen erneut einen Rekordumsatz erzielt. „Nach wie vor müssen wir die nominale Umsatzentwicklung aber relativieren, da hier erhebliche Preissteigerungen enthalten sind“, ordnet Petra Pigerl-Radtke, IHK-Hauptgeschäftsführerin, die Entwicklung ein.
Die Inlandsumsätze der ostwestfälischen Industrie stiegen im ersten Halbjahr um 5,4 Prozent auf 15,9 Milliarden Euro. Die Auslandsumsätze legten derweil mit 10,8 Prozent doppelt so stark zu, auf 11,1 Milliarden Euro. Die Exportquote der ostwestfälischen Industrie beträgt aktuell 41 Prozent. Mit den Gesamt-Umsatzzuwächsen liegt Ostwestfalens Industrie über denen Deutschlands (+5,2 Prozent) und NRWs (+2,1 Prozent). Im Durchschnitt der ersten sechs Monate waren in der ostwestfälischen Industrie 172.768 Mitarbeitende beschäftigt, ein Plus von einem Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Zu den fünf größten Industriebranchen der Region zählen die Hersteller von Nahrungs- und Futtermitteln (Umsatz 5,5 Milliarden Euro, +21,6 Prozent), der Maschinenbau (4,7 Milliarden Euro, +30,8 Prozent), die Möbelhersteller (3,1 Milliarden Euro, +2,5 Prozent), die Hersteller elektrischer Erzeugnisse (3,1 Milliarden Euro, +0,1 Prozent) und die Hersteller von Metallerzeugnissen (2,1 Milliarden Euro, -6,8 Prozent).
Bis auf den Kreis Minden-Lübbecke (-3,4 Prozent) liegen alle Kreise des IHK-Bezirks und die Stadt Bielefeld beim Umsatz im Plus: Bielefeld +1,2 Prozent; Kreis Gütersloh +14,5 Prozent; Kreis Herford +4,0 Prozent; Kreis Paderborn +7,9 Prozent; Kreis Höxter +2,5 Prozent.