Hohe Erwartungen, aber auch Frustration bestimmen das konjunkturelle Lagebild im Kreis Paderborn. Die Wirtschaft im Kreis befindet sich wegen der andauernden weltweiten Pandemie und der angeordneten Einschränkungen der Geschäftstätigkeiten weiterhin in einer angespannten Lage. Zu diesem Ergebnis kommt die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) in ihrer aktuellen Frühjahrs-Konjunkturumfrage, an der sich aus dem Kreis Paderborn 373 Unternehmen mit knapp 26.000 Beschäftigten aus Industrie, Handel und Dienstleistung beteiligten. „Die momentane wirtschaftliche Lage bei den Unternehmen im Kreis gibt weiter Anlass zur Sorge“, erklärte IHK-Vizepräsidentin Gabriele Schäfers bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse in Paderborn. „Die Konjunkturdaten sind in allen Branchen unter Druck. Bei der Einschätzung der künftigen wirtschaftlichen Situation nimmt die Anzahl der Optimisten erfreulicherweise zu. Hier gehen beispielsweise 60 Prozent der Industrieunternehmen von einer sich verbessernden Lage aus. Bei Handel und Dienstleistung stellt sich die Situation jedoch noch unsicher dar. Die wirtschaftliche Lage ist insgesamt auch von großen Unterschieden geprägt. Beispielsweise ist der ganze Lebensmittelbereich kaum betroffen, wogegen die Reisebranche, die Veranstaltungsbranche oder der Hotel- und Gaststättensektor extrem unter der Situation leiden.“
„Der Konjunkturklimaindikator, der die momentane Lageeinschätzung der Betriebe mit ihren Erwartungen in Relation setzt, ist für den Gesamtindikator über alle drei Sektoren mit 104 Punkten knapp im positiven Bereich“, berichtete der IHK-Geschäftsführer und Leiter der Zweigstelle Paderborn + Höxter, Jürgen Behlke. Die 100-er Linie markiert die Grenze zwischen einer positiven oder negativen Stimmung. Der Wert für die Industrie sei dabei von dem historisch schlechten Wert im Sommer mit 49 Punkten wieder auf 94 Punkte gestiegen, was an den im Saldo sehr guten Erwartungen an die künftige Geschäftslage liege. Der Wert für die Dienstleister sei im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Behlke: „Hier steigt er immerhin auf 117 Punkte, was mit den positiveren Aussichten größerer Unternehmen, aber auch der relativ guten Lage beispielsweise bei den IT-Dienstleistern oder der Immobilienwirtschaft zusammenhängt. Auch der Handel-Index steigt von 61 auf 94 Punkte, was wohl in erster Linie an den kaum von den Lockdowns betroffenen Unternehmen liegt, etwa im Großhandelsbereich.“
Die momentane Geschäftslage stelle sich in den Sektoren ähnlich dar. Nur 25 Prozent der Firmen aus dem Handel, 28 Prozent bei den Dienstleistern und 22 Prozent der Industrieunternehmen betrachteten ihre jetzige Lage als gut. In der Industrie sähen sie sogar fast zwei Drittel als schlecht an. Diese Einschätzung spiegele die momentane Produktionsauslastung wider: 23 Prozent – gegenüber drei Prozent im Frühjahr 2020 – lägen mit der Auslastung ihrer Produktionskapazität unter 80 Prozent. Allerdings rechnen 60 Prozent der Befragten in der Industrie mit einer Verbesserung ihrer Geschäftslage in den nächsten zwölf Monaten. Dem stünden nur vier Prozent gegenüber, die eine Verschlechterung erwarteten. Schäfers: „Nahezu alle Branchen gehen trotz der Möglichkeit von Kurzarbeit wegen der angespannten Geschäftslage und der unsicheren Zukunft von einem Beschäftigungsrückgang aus. Die Konjunkturrisiken, die von den Firmen genannt werden, sind je nach Branche unterschiedlich. Es überwiegt das Risiko der Inlandsnachfrage, aber interessanterweise wird bei den Dienstleistern auch wieder der Fachkräftemangel genannt.“
Im Jahr 2020 betrug der Gesamtumsatz des Verarbeitenden Gewerbes im Kreis Paderborn 4,902 Milliarden Euro und lag damit um 8,3 Prozent unter dem Vorjahresergebnis. „Dieser Rückgang schmerzt schon sehr und ist auch ein Indiz für eine schwächelnde Weltkonjunktur. Wir hoffen daher, dass sich mit einer Verbesserung der konjunkturellen Lage auch die Umsatzzahlen im Kreis wieder nach oben bewegen“, führte Behlke aus. „Bei der Beschäftigungsentwicklung belegt der Kreis Paderborn mit einem Minus von 3,8 Prozent den letzten Platz in Ostwestfalen; die Wirtschaft in unserem Kreis und besonders die Industrie war schon im Vor-Corona-Jahr unter Druck“. Mit Blick auf die von den Unternehmen angeführten Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die deutsche und damit auch die ostwestfälische Wirtschaft zu unterstützen. „Dazu gehört weiterhin die notwendige Unterstützung von ohne Schuld in die Krise geratenen Unternehmen, in diesen Zeiten ganz besonders eine Verminderung des bürokratischen Aufwands für die Unternehmen, aber auch eine weitsichtige Klima- und Energiepolitik, die die Unternehmen nicht über Gebühr belastet und zu Wettbewerbsnachteilen führt. Die Unternehmen sollten den Fachkräftemangel aus strategischen Gesichtspunkten besonders vor dem Hintergrund der zu erwartenden anziehenden Konjunktur wieder in den Fokus nehmen und deshalb die Ausbildung nicht aus dem Auge verlieren. Wir erwarten weiterhin auch von Politik und Gesellschaft das klare Bekenntnis zur dualen Ausbildung und fordern verstärkte Anstrengungen im Bereich der Berufsorientierung besonders in den Schulen“, unterstrich der IHK-Geschäftsführer.