Der seit Jahren etablierte Trend zu Nebenerwerbsgründungen wurde 2022 in Ostwestfalen erstmals gebrochen: So gründeten 2022 fast 55 Prozent der Gründerinnen und Gründer im Haupterwerb und nur 45 Prozent im Nebenerwerb (ohne Handwerk und freie Berufe). Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies mit gut 44 Prozent Haupterwerbsgründungen und fast 56 Prozent Nebenerwerbsgründungen einem konträren Gründungsverhalten.
„Diese Entwicklung hat uns positiv überrascht. Denn bei der aktuell hohen Erwerbsquote ist die Hürde, eine Festanstellung aufzugeben und in das unternehmerische Risiko der Selbstständigkeit zu gehen, in der Regel höher“, betont Karl-Ernst Hunting, Leiter der Zweigstelle Minden der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK).
Insgesamt ist die Anzahl der Minden-Lübbecker Gründungen von 1.956 im Jahr 2021 auf 1.511 Gründungen im Jahr 2022 gesunken. Das sind 22,8 Prozent weniger Gründungen in Minden-Lübbecke. In Ostwestfalen ging die Anzahl der Gründungen im gleichen Zeitraum von 11.397 um 13,1 Prozent auf 9.903 zurück.
„Trotz der rückläufigen Zahlen werden viele kreative und chancenreiche Gründungsideen geboren“, erläutert Nadine Obersundermeyer, Existenzgründungs- und Fördermittelberaterin der IHK diese Zahlen.
Bei der Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen, sind Männer grundsätzlich jünger als Frauen. So setzen besonders viele Männer in der Altersklasse 25-29 Jahre ihr Gründungsvorhaben um.
Frauen hingegen gründen bevorzugt in der Altersklasse 30-34 Jahre. Ungebrochen ist die Präferenz von Dienstleistungsgründungen. So gründeten 2022 63,8 Prozent und 2021 63 Prozent der Selbstständigen ein Dienstleistungsunternehmen.
Eine zuverlässige Analyse der Entwicklung von Existenzgründungen bietet laut Hunting die Kennzahl der Gründungsintensität. Diese setze die Anzahl der IHK-Gründungen in Relation zur Anzahl der Erwerbsfähigen. Im Kreis Minden-Lübbecke sei die Gründungsintensität mit 0,82 im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr 2021 mit 1,05 erheblich gesunken.
Dementsprechend hätten im Jahr 2022 0,82 Existenzgründerinnen und Existenzgründer von 100 Erwerbsfähigen im Alter von 18 bis unter 65 Jahren ein Gewerbe im Kreis Minden-Lübbecke angemeldet. Im Jahr zuvor waren es noch 1,05 bezogen auf 100 Erwerbsfähige im Alter von 18 bis unter 65 Jahren.
Wichtige Stellschrauben für mehr Gründungsmotivation seien nach wie vor die Umsetzung von schnelleren und einfacheren Regularien, die Vereinfachung des Steuerrechts und ein einfacherer Zugang zu öffentlichen Fördermitteln.
„Bei Fragen zum Unternehmensaufbau und Fördermöglichkeiten steht interessierten Menschen, die überlegen, in die Selbstständigkeit zu wechseln, Nadine Obersundermeyer mit fachlichem Rat zur Seite“, betont Hunting.