Die Talfahrt der ostwestfälisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen hat bereits vor der russischen Invasion in die Ukraine begonnen. Dies geht aus der Umfrage „Going International 2022“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervor, an der sich auch die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) beteiligt hat.
Demnach beurteilten mehr als die Hälfte der 140 befragten ostwestfälischen Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit Russland unterhalten, Anfang Februar die aktuelle Lage und die Perspektive der Geschäfte als negativ.
Von den ostwestfälischen Unternehmen hatten bereits vor dem Ausbruch der Russland-Ukraine-Krise nur acht Prozent eine Verbesserung der Geschäfte erwartet, 40 Prozent gingen von einer Verschlechterung aus. Lediglich zehn Prozent bezeichneten die Geschäftsbeziehungen als gut.
Damit sinken die Erwartungen der Unternehmen auf einen bundesweit niedrigen Stand wie in den Jahren 2014/15 – damals hatte Russland die Krim annektiert. „Für kein anderes Land der Welt wird die Geschäftsperspektive derzeit negativer beurteilt als für Russland“, sagt Harald Grefe, stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer.
Unabhängig von der aktuellen geopolitischen Lage und den damit verbundenen Sanktionen seien die Unternehmen mit Russland-Geschäft von Handelshemmnissen betroffen. Diese bestehen etwa in Form von komplexen Zertifizierungsanforderungen und Zusatzzöllen für in Russland und den anderen Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) vertriebene Produkte wie Maschinen oder elektrotechnische Geräte. Durch den Trend und oftmals den Zwang zur Lokalisierung stiegen in den vergangenen Jahren die deutschen Direktinvestitionen in Russland auf 24 Milliarden Euro (2019).
Obwohl die deutschen Unternehmen zu den aktivsten ausländischen Investoren in Russland gehören, hätten immer mehr Firmen in den vergangenen Jahren den russischen Markt verlassen. Die Anzahl deutscher Firmen habe sich seit 2011 fast halbiert. Aktuell sind in Russland nach IHK-Angaben 4.300 deutsche Unternehmen mit eigenen Niederlassungen tätig, davon 150 aus Ostwestfalen. Im Vergleich dazu engagieren sich 2.000 Unternehmen mit eigenen Niederlassungen in der Ukraine, davon kommen 20 aus Ostwestfalen.
Der russische Einmarsch in die Ukraine und die in unglaublich hohem Tempo erlassenen neuen Sanktionen gegen Russland durch die Europäische Union, die USA und weitere Länder, hätten enorme Auswirkungen auf deutsche Unternehmen und ihre Beschäftigten – sowohl in den direkt betroffenen Regionen als auch in Deutschland selbst.
„Die wirtschaftlichen Folgen dieser Invasion sind noch nicht absehbar, sie sind aber ganz sicherlich schwerwiegend“, so Grefe weiter. Die EU-Sanktionen gegen Russland sind in den Bereichen Energie, Finanzen, Transport, Visa-Politik und Exportkontrolle in Kraft. Die IHK erwartet die weitere Verschärfung der jetzigen Sanktionsmaßnahmen. Die Unternehmen sind aufgefordert, ihre Lieferbeziehungen und Geschäftspartner strikt zu prüfen und zu kontrollieren.
Die IHK hält ihre Unternehmen mit aktuellen Meldungen zur Russland-Ukraine-Krise auf ihrer Website www.ostwestfalen.ihk.de auf dem Laufenden. Darüber hinaus berät das IHK-Team individuell und in einer Online-Veranstaltung am 17. März 2022 über die aktuelle Lage und die jeweils geltenden Sanktionsbestimmungen.