Das Bielefelder Konzept für den motorisierten Individualverkehr (mIV), das am 1. Februar im Stadtentwicklungsausschuss beschlossen werden soll, weist nach Auffassung der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) derart erhebliche Mängel auf, dass es vor seiner Verabschiedung umfassend überarbeitet werden muss. „Die im Papier vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduzierung des motorisierten Verkehrs ignorieren zu sehr die Belange des Wirtschaftsverkehrs“, kritisiert der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Harald Grefe. Und das, obwohl die IHK in den zwei Workshops zur Erarbeitung des Konzeptes mehrfach darauf hingewiesen habe, dass die „Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Bielefeld nicht nur vom Lkw-Verkehr sondern auch vom Anliefer-, Kunden- und Pendlerverkehr abhängt“. In vielen Bereichen fehle nach wie vor eine funktionierende Alternative zum Lkw oder Pkw.
Vor allem die vorgesehene Abschaffung von Fahrspuren an Bielefelds Hauptverkehrsachsen behindere den Verkehrsfluss massiv: „Wer den voreiligen, nahezu parallelen Rückbau der Herforder Straße, der Arthur-Ladebeck Straße, der Eckendorfer Straße und der Detmolder Straße empfiehlt, nimmt bewusst großen wirtschaftlichen Schaden für die Stadt in Kauf“, so Grefe. Die IHK setze auf eine schrittweise und moderate Verkehrswende, die die jeweiligen Folgen der Maßnahmen für die Wirtschaftskraft der Stadt beobachte und entsprechende Korrekturmaßnahmen vorsehe. Mit dem Kompromissvorschlag zum Umbau der Artur-Ladebeck-Straße habe die IHK Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, die alle Verkehrsarten bedarfsgerecht berücksichtige. Grefe: „Nach wie vor fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept. Der Bielefelder Ansatz, aus vier Teilkonzepten ein Gesamtkonzept zu entwickeln, funktioniert nicht. Einzelne Planungen widersprechen sich sogar.“ So sehe das eine Konzept eine Busspur vor, das andere auf der gleichen Straße eine geschützte Fahrradspur.
Auch die Diskussion über einen Radschnellweg an der Herforder Straße anstelle des Lückenschlusses zur L712n verkenne die realen Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs. Der vorgesehene Radschnellweg kann die zweite Fahrspur für den motorisierten Individualverkehr nicht ersetzen. „Hier geht es vielmehr um ein sinnvolle Integration - und nicht um ein entweder oder“, erläutert Grefe. Auch die im mIV-Konzept als moderat bezeichneten Maßnahmen wie Sperrungen für den Kfz-Verkehr und der Entfall von miV-Fahrstreifen auf Bundesstraßen seien alles andere als moderat und würden den Wirtschaftsverkehrs massiv beeinträchtigen. Das gelte auch für die Einführung einer City-Maut. „Wir appellieren an die Bielefelder Politik, ein kompromissfähiges Gesamtverkehrskonzept zu erarbeiten, das den Notwendigkeiten des Wirtschaftsverkehrs gerecht wird“, blickt IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke nach vorn und fordert dafür das Einbeziehen des städtischen Lenkungskreises Innenstadtmobilität, der bisher nur sporadisch zu Rate gezogen worden sei und in dem eigentlich die Harmonisierung der Empfehlungen der einzelnen Teilkonzepte erreicht werden sollte. „Mit guten Kompromissen und alltagstauglichen Lösungen bringen wir gemeinsam die Verkehrswende in Bielefeld Stück für Stück voran“, so Pigerl-Radtke.