Die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) kritisiert in einem Brief an den Bürgermeister der Stadt Enger, Thomas Meyer, die geplante Gewerbesteuererhöhung im kommenden Jahr. Die Kommune will den Hebesatz von 445 auf 465 Punkte steigern, eine entsprechende Regelung sieht die Hebesatz-Satzung aus dem Jahr 2016 vor. „Wir möchten Sie dringend bitten, von dieser Erhöhung der Gewerbesteuer abzusehen und die Gewerbesteuerpolitik im politischen Rahmen neu zu beraten“, heißt es dazu in dem von IHK-Vizepräsident Dr. Klaus Bockermann und dem stellvertretenden IHK-Hauptgeschäftsführer Harald Grefe unterschriebenen Brief.
Schon heute ist der Hebesatz von 445 Punkten der höchste im Kreis Herford. Mit einer weiteren Erhöhung auf 465 Punkte würde sich Enger – gleich nach dem Oberzentrum Bielefeld – an die Spitze aller 54 Kommunen in Ostwestfalen setzen. „In Zeiten, in denen Bund, Länder und viele Kommunen Überschüsse erzielen, ist eine derartige Steuererhöhung für die Unternehmen in Enger schwer nachvollziehbar“, betont Bockermann. Die IHK bedaure, dass mit der Insolvenz von Wellmann und dem Wegzug von RWK Einbauküchen nach Löhne Löcher in den Haushalt gerissen wurden. Auch gebe es viel Sympathie dafür, dass Enger nach Jahren die Haushaltssicherung verlassen möchte. „Allerdings halten wir den Weg einer weiteren Gewerbesteuererhöhung für falsch und wenig wirtschaftsfreundlich“, fasst Grefe die Kritik der IHK zusammen.
Schon bei der IHK-Standortumfrage 2016 hätten die Unternehmen der Stadt Enger keine besonders guten Noten in Punkto Standortbewertung und Wirtschaftsfreundlichkeit gegeben. Beim anschließenden IHK-Wirtschaftsgespräch in Enger im Mai 2017 wurde insbesondere die Unzufriedenheit über die Gewerbesteuer und Grundsteuer deutlich. Sie liegen auf Platz zwei und drei der geringsten Zufriedenheit von 36 Standortfaktoren.
„Für die Ansiedlung neuer oder auch die Akzeptanz bei vorhandenen Unternehmen ist die Angemessenheit der Höhe der Gewerbesteuer in Bezug auf die Standortqualität von Bedeutung. Von ‚teuren‘ Standorten erwartet man auch hervorragende Standortbedingungen, die nach den Ergebnissen der IHK-Standortumfrage in Enger nicht wahrgenommen werden“, begründet Bockermann die Kritik an den Steuerplänen der Gemeinde. Auch bei der Nachvermietung der jetzt freigewordenen Gewerbeimmobilien komme diesem Aspekt eine große Bedeutung zu.
Das Argument, die Gewerbesteuer sei kein Kostenfaktor für die Unternehmen, trägt aus Sicht der IHK nicht. „Seit der Unternehmenssteuerreform 2008 ist die Gewerbesteuer nicht mehr als Betriebsausgabe abzugsfähig“, erläutert Grefe. Die Anrechnung bei Personenunternehmen mit der Einkommenssteuer gelte nur bis zu einem Hebesatz von 380 Punkten. Körperschaften wie beispielsweise GmbHs hätten darüber hinaus überhaupt keine Anrechnungsmöglichkeit. „Hier ist die Gewerbesteuer ab dem ersten Euro ein Kostenfaktor.“
Die IHK appelliert deshalb an den Engeraner Bürgermeister von der geplanten Erhöhung der Gewerbesteuer im Interesse der ansässigen Unternehmen abzusehen.