Die Stimmung in der ostwestfälischen Wirtschaft verharrt zu Jahresbeginn weiterhin im Tief. Insbesondere in der Industrie ist keine Erholung zu spüren, geht das Warten auf Impulse weiter. Zu diesen Ergebnissen kommt die Frühjahrskonjunkturumfrage der IHK, an der sich 1.836 Unternehmen mit gut 118.000 Beschäftigten aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen beteiligten. Darunter waren 321 Industriebetriebe mit rund 61.500 Beschäftigten.
„Nach zwei Jahren mit schrumpfendem Bruttoinlandsprodukt droht auch für 2025 eine Stagnation oder sogar Rezession. Wachstum ist auch in Ostwestfalen aktuell nicht in Sicht. Für die Konjunktur in unserer Region kann man nur von einer gewissen ‚Bodenbildung‘ sprechen.
Wir brauchen ein Sofortprogramm zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Eine neue Bundesregierung muss Wirtschaftspolitik zum Top-Thema machen“, sagte IHK-Präsident Jörn Wahl-Schwentker am 12. März bei der Vorstellung der Ergebnisse in der IHK in Bielefeld.
Als größte Herausforderungen für die künftige Entwicklung nannten die Unternehmen noch vor der Inlandsnachfrage die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, insbesondere „Bürokratie“. Gefordert wird eine Beschleunigung und Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie Verwaltungsprozessen.
„Bürokratie belastet die Unternehmen erheblich. Die Initiative der EU zum Abbau übermäßiger Berichts- und Offenlegungspflichten ist begrüßenswert, sie muss nun zügig und spürbar für die Unternehmen umgesetzt werden. Das gilt auch auf nationaler und kommunaler Ebene“, fordert der IHK-Präsident.
„Zur Sicherung des Industriestandortes und zur Stärkung der Wirtschaft in ihrer Gesamtheit braucht es entschlossene Weichenstellungen und Reformwillen. Von einer neuen Bundesregierung erwarten die Unternehmen drastische Einschnitte bei der Bürokratie, mehr Tempo und Effizienz bei Genehmigungen sowie spürbare Entlastungen“, führt Wahl-Schwentker aus.
Die Energiekosten seien im internationalen Vergleich zu hoch. Die von Union und SPD angedachte Reduzierung der Stromsteuer und Senkung der Netzentgelte wären ein erstes starkes Signal. Als zunehmendes Problem stellten sich hohe Arbeitskosten dar. Dazu trage auch die inzwischen auf rund 42 Prozent gestiegene Sozialabgabenquote bei. Eine weitere Stellschraube, an der gedreht werden müsse, sei eine Unternehmenssteuerreform.
„Wie schnell und welche Impulse von den geplanten Investitionen des Bundes in Infrastruktur und Verteidigung ausgehen – Stichwort Sondervermögen und Ausnahmen bei der Schuldenbremse –, bleibt abzuwarten. Der große Handlungs- und Investitionsbedarf ist unbestritten“, erklärt Wahl-Schwentker.
„Das geplante, 500 Milliarden Euro schwere Paket darf die künftige Bundesregierung aber nicht dazu verleiten, Haushaltsdisziplin sowie die dringend notwendigen strukturellen Reformen in allen wichtigen Politikfeldern aufzuschieben“, so der IHK-Präsident.
Die aktuell vorherrschende gesamtwirtschaftliche Unsicherheit spiegele sich auch in den Umfragedaten wider. So ist der IHK-Klimakonjunkturindex für die gesamte ostwestfälische Wirtschaft von Herbst 2024 zum Frühjahr 2025 zwar leicht gestiegen, von 91 auf 94 Punkte. Damit bleibt der Wert aber unter der 100er-Marke, die für eine ausgeglichene Stimmung steht, bei der Optimisten und Pessimisten sich die Waage halten. Der Indexwert für die Industrie hat von 78 auf 85 Punkte zugelegt, bleibt damit aber auf niedrigem Niveau.
„Die aktuelle Geschäftslage der ostwestfälischen Industrie hat sich zum Frühjahr leider nicht verbessert“, ordnet Wahl-Schwentker die Zahlen ein. Aktuell bezeichneten nur noch 12 Prozent der befragten Unternehmen ihre Geschäftslage als „gut“ (Herbst: 14 Prozent). Die „schlecht“-Bewertungen blieben mit 43 nach zuvor 48 Prozent auf hohem Niveau.
Eine schwache Konjunktur gepaart mit gestiegenen Kosten drücke auf die Marge vieler Unternehmen. So bezeichnen 38 Prozent der Unternehmen ihre Ertragslage als „schlecht“ und nur noch 15 Prozent als „gut“.
Bei der erwarteten Geschäftslage für die kommenden zwölf Monate hat sich die Zahl der Optimisten zwar von 17 auf 23 Prozent erhöht. Diese Entwicklung ist allerdings vor allem den zuversichtlicheren Erwartungen einiger großer Unternehmen geschuldet. Das Gros der Betriebe (58 Prozent) rechnet mit keiner nennenswerten Veränderung. Eine weitere Verschlechterung erwartet andererseits nur noch knapp jeder fünfte Betrieb, so dass sich ein kleiner positiver Saldo ergibt.
Etwas Zuversicht zeigt sich bei den erwarteten Umsätzen: Fast jeder dritte Industriebetrieb rechnet mit steigenden Gesamtumsätzen, 20 Prozent prognostizieren sinkende Umsätze. Zuwächse werden vornehmlich im Ausland erwartet, im Inland indes rechnen mehr Unternehmen mit sinkenden statt steigenden Umsätzen.
Bei der Ertragslage gehen 35 Prozent der Unternehmen von einer Verschlechterung aus, nur 21 Prozent von einer Verbesserung. „Die anhaltend eher schwache Nachfrage auf der einen Seite und gestiegene Kosten auf der anderen Seite drücken weiter auf die Erträge“, erläutert Wahl-Schwentker.
Die Gesamtumsätze des Verarbeitenden Gewerbes aller Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten beliefen sich 2024 in Ostwestfalen auf 46,4 Milliarden Euro, ein Rückgang um 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „An den ‚harten‘ Zahlen erkennt man, dass auch in Ostwestfalens Industrie der im Verlauf des Jahres 2023 begonnene konjunkturelle Abschwung bis Mitte 2024 Fahrt aufgenommen hat“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke.
Zum Jahresende habe sich der Rückgang – gegenüber den aber auch schon schwächeren Vorjahresquartalen – verlangsamt. Die Inlandsumsätze gingen im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent auf 27,6 Milliarden Euro zurück. Die Auslandsumsätze fielen noch etwas stärker, um 10,1 Prozent auf 18,9 Milliarden Euro, die Exportquote der ostwestfälischen Industrie lag damit bei 40,6 Prozent.
Im Jahresdurchschnitt waren in der ostwestfälischen Industrie 171.769 Mitarbeitende beschäftigt – ein Rückgang um 0,6 Prozent zum Vorjahr. Die Zahl der insgesamt in Ostwestfalen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist erstmals nach mehr als zehn Jahren wieder gesunken, zum Vorjahr um 0,2 Prozent auf 757.379.
„Die schwierige Lage in der Industrie und die Konjunkturflaute wirken sich auch negativ auf den Arbeitsmarkt aus“, sagt Pigerl-Radtke. Die Zahl der Arbeitslosen lag in diesem Februar mit 63.827 um rund 3.300 höher als vor einem Jahr und um 15.000 höher als 2022.