Angesichts dramatischer Preissteigerungen für Energie und viele andere Produkte geht die ostwestfälische Wirtschaft mit sehr gedämpften Erwartungen in die kommenden zwölf Monate, wie die Herbstkonjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) ergab. So ist der IHK-Konjunkturklimaindex, der die Einschätzungen der momentanen Lage und die Zukunftserwartungen gleichermaßen berücksichtigt, für die gesamte ostwestfälische Wirtschaft von 131 Punkten im Frühjahr auf aktuell 100 gesunken. „Die 100er-Marke steht für eine ausgeglichene Konjunktur, die aktuelle Geschäftslage wird demnach in der Industrie immer noch verhalten positiv beurteilt“, erklärt IHK-Geschäftsführer Dr. Christoph von der Heiden. „Aber insgesamt steht die Wirtschaft vor großen Belastungen“.
Ein gutes Drittel der Industriebetriebe bewertet ihre aktuelle Geschäftslage laut der Umfrage immer noch mit gut, im Frühjahr waren das aber noch doppelt so viele. Mit einer Verbesserung ihrer Geschäftslage in den nächsten zwölf Monaten rechneten allerdings nur noch 14 Prozent (Frühjahr: 33 Prozent). Knapp zwei Drittel der Betriebe erwarteten keine Veränderung, jeder Fünfte gehe von einer Verschlechterung aus. „Der Druck auf die Industriebetriebe erhöht sich stark. Die Inflationsspirale dreht sich: Steigende Rohstoffkosten, explodierende Energiepreise und auch höhere Arbeitskosten drücken dabei auf die Erträge der Unternehmen“, so von der Heiden. Mehr als jeder zweite Betrieb geht von sinkenden Erträgen aus, fast dreimal so viele wie bei der Umfrage im Frühjahr. „Auf viele Industriekunden, bei denen die Stromlieferverträge in diesem Jahr auslaufen, kommen dramatische Preissteigerungen zu, die oftmals kaum an Kunden weitergegeben werden können“, erläutert der IHK-Geschäftsführer. So sehen in der Industrie 93 Prozent in den Rohstoffpreisen, 78 Prozent in den Energiepreisen und jeder zweite Betrieb in den Arbeitskosten Risiken für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Hinzu kommen Risiken durch eine nachlassende internationale und nationale Nachfrage.
„Auch die Konjunktur im Handel spitzt sich zu“, betont Marco Rieso, IHK-Referatsleiter Handel und Dienstleistung. Der IHK-Klimaindex fiel deutlich von110 Punkten im Frühjahr auf aktuell 65 Punkte. Der Handel stehe angesichts der andauernden Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin vor großen Herausforderungen. Aktuell würden sie durch die Energiekrise, den Ukraine-Krieg, die enorm gestiegene Inflation und fehlendem Personal noch verstärkt. Während die aktuelle Lage noch von mehr Händlern positiv beurteilt würde (27 Prozent gut, 21 Prozent schlecht), seien die Erwartungen deutlich pessimistischer (46 Prozent schlecht, 11 Prozent gut). „Die Menschen halten in der aktuellen Krisensituation ihr Geld zusammen“, erläutert Rieso.
Die Lage bei den Dienstleistern hat sich laut der IHK-Herbstkonjunkturumfrage ebenfalls verschlechtert, allerdings nicht so stark wie im Handel und in der Industrie. Die aktuelle Geschäftslage werde von gut einem Drittel positiv bewertet, ein Fünftel bewerte sie negativ. Dagegen seien die Zukunftserwartungen eher gedämpft: 17 Prozent gingen von einer besseren Geschäftslage aus, aber 25 Prozent von einer schlechteren. „Die Entwicklung der Energiepreise und den Fachkräftemangel betrachten die Dienstleister als größte Risiken“, erklärt der IHK-Referatsleiter.
„Es geht jetzt darum, die Wirtschaft bei der Bewältigung insbesondere der Energiekrise zu unterstützen. Eine Ausweitung und Erweiterung der Erzeugungskapazitäten könnten die Preise sinken lassen. Auch direkte Entlastungen für die stark betroffenen Unternehmen sind nötig“, fordern von der Heiden und Rieso unisono. Die IHK beklagt, dass die Ankündigungen der Bundesregierung hier noch zu vage seien. Dadurch sei eine schnelle Umsetzung in Gefahr, die dringend nötig sei. Zudem müssten die von der Regierung bereits gestarteten Initiativen in Richtung Digitalisierung, die Ertüchtigung der Infrastruktur besonders im Bereich Verkehr und trotz der schwierigen Wirtschaftslage der Klimaschutz weiter vorangetrieben werden.
An der im August durchgeführten IHK-Befragung beteiligten sich 158 Industrieunternehmen mit 33.524 Beschäftigten, 255 Handelsunternehmen mit 9.175 Beschäftigten sowie 356 Dienstleistungsunternehmen mit 12.852 Beschäftigten.