Dem negativen Bundestrend konnte sich auch die Gründungsszene in Ostwestfalen nicht entziehen. So wurden 2022 in der Region 9.903 Gründungen registriert, 2021 waren es noch 11.397. Der Rückgang um 13,1 Prozent zieht sich durch alle Teilregionen. Das geht aus dem Gründungsreport 2023 der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) hervor, der heute (07. Juni 2023) in einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. „Dennoch ist die Stimmung nicht vollends getrübt, denn es gibt durchaus einen sehr positiven Aspekt hervorzuheben: Nach fünf Jahren haben erstmals wieder die Gründungen im Haupterwerb spürbar zugenommen“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke und erläuterte: „Dass insgesamt bei den Gründungen ein Minus zu beklagen ist, ist insbesondere die Folge eines starken Rückgangs der Nebenerwerbsgründungen.“
Demnach stiegen die Haupterwerbsgründungen 2022 im Vorjahresvergleich um 5,3 Prozent auf 5.383, während die im Nebenerwerb um 28,1 Prozent auf 4.522 sanken. Bundesweit seien die Gründungszahlen im vergangenen Jahr zurückgegangen. „Eine Entwicklung, die aus meiner Sicht keinesfalls überrascht“, erklärte Pigerl-Radtke. Die Verunsicherungen in der Bevölkerung und der Wirtschaft unter anderem infolge des Ukraine-Krieges und der deutlich spürbaren Preissteigerungen seien alles andere als ideale Startbedingungen. „Viele dürften deshalb zumindest vorerst davon Abstand genommen haben, ihren Traum vom eigenen Unternehmen zu verwirklichen“, so Pigerl-Radtke.
Der Anstieg der Haupterwerbsgründungen überrasche allerdings, weil sich im gleichen Zeitraum die Arbeitslosenquote weiterhin auf niedrigem Niveau bewegte. In der Vergangenheit sei dagegen vermehrt der Weg in die Selbstständigkeit gewählt worden, wenn die Arbeitsmarktlage sich verschlechterte – quasi aus der Not heraus. Die IHK-Hauptgeschäftsführerin: „Wenn also in 2022 nicht die mangelnden Perspektiven am Arbeitsmarkt der ausschlaggebende Faktor waren, dann scheinen es die Chancen gewesen zu sein, die in der eigenen Unternehmensgründung gesehen werden. Und dies spricht wiederum für eine höhere Qualität der Geschäftsmodelle. Aktuell machen sich offenbar in erster Linie diejenigen selbstständig, die von ihrem Vorhaben vollends begeistert sind.“
„In Bezug auf den Rückgang der Gründungszahlen kommt die Stadt Bielefeld als Oberzentrum der Region mit einem Minus von 2,1 Prozent noch am besten weg. Die Verluste in den übrigen Kreisen Ostwestfalens sind hingegen deutlich ausgeprägter: Die stärksten Rückgänge verzeichnen der Kreis Herford mit minus 22 Prozent und der Kreis Minden-Lübbecke mit minus 22,8 Prozent“, erläuterte IHK-Geschäftsführer Götz Dörmann die Regionalzahlen. Seit Jahren ziehe der Dienstleistungssektor die meisten Gründungen an. Mit 63,8 Prozent sei der Anteil der neu gestarteten Unternehmen im Dienstleistungsbereich 2022 nochmals leicht angewachsen (2021: 63 Prozent), in der Industrie liege er mit 7,7 Prozent etwas über dem Vorjahr (2021: 7,5 Prozent), während der Handel mit 28,6 Prozent ein leichtes Minus gegenüber 29,5 Prozent in 2021 aufweise. Der Anteil der Frauen an den gesamten Gründungen habe sich 2022 mit 34,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2021: 32,8 Prozent) weiter positiv entwickelt. Der Zuwachs bei den Frauen resultiere aus deutlich mehr Gründungen im Haupterwerb – ein Plus von 30,3 Prozent. Dabei fokussierten sich die Gründerinnen – wie auch die Gründer - auf die Sparten Einzelhandel, Dienstleistungen für private Haushalte und unternehmensbezogene Dienstleistungen.
2022 hat die IHK gut 800 Gründende beraten und zahlreiche weitere Starthilfen gegeben. Der IHK-Gründungsreport 2023 kann im Internet unter www.ostwestfalen.ihk.de abgerufen werden.