Der Rotor für eine Windkraftanlage, das Betonfertigteilelement für die neue Produktionshalle oder die Landmaschine, auf die der Kunde dringend wartet: Viele Industrie- und Investitionsgüter können nur per Großraum- oder Schwertransport befördert werden. Der Bundesgesetzgeber plant eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), die Anfang 2021 in Kraft treten soll – und bei den Anbietern von Schwertransporten die Sorge auslöst, dass sich ihre Wettbewerbssituation verschlechtert.
Darauf weist die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) in einem von IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke und ihrem Stellvertreter Harald Grefe unterschriebenen Brief an die insgesamt 33 Land- und Bundestagsabgeordneten aus Ostwestfalen hin. „Derzeit erreichen uns viele besorgte Rückmeldungen von produzierenden Unternehmen und Betrieben der Verkehrs- und Logistikbranche zur geplanten StVO-Novelle. Vor allem wird befürchtet, dass die geplanten neuen Regelungen ab dem nächsten Jahr zu massiven Verzögerungen bei der Beantragung von Genehmigungen für die Schwertransporte führen werden“, beschreibt Pigerl-Radtke die momentane Stimmungslage in der Branche.
Mit der Novelle sollen Anträge nur noch bei Verkehrsbehörden gestellt werden können, in deren Bezirk der Transport beginnt oder endet. Bislang konnten solche Anträge an verschiedenen Orten gestellt werden, beispielsweise dort, wo der Transport startet oder dort, wo der Antragsteller seinen Wohnort, Firmensitz oder eine Zweigniederlassung hat. „Dadurch wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verschiebungen des Auftragsaufkommens bei den Verkehrsbehörden kommen. Da die Behörden häufig nicht über die personellen Ressourcen verfügen, um einem erhöhten Auftragsaufkommen gerecht zu werden, werden deutlich längere Bearbeitungszeiten anfallen“, ergänzt Grefe.
Zudem seien die Mitarbeiter der Behörden am Sitz der Antragstellenden mit den Unternehmen vor Ort und deren besonderen Bedarfen vertraut, was in der Praxis von Vorteil ist. „Wir wissen aus Erfahrung, dass lange Bearbeitungszeiten zu einer gravierenden Verschlechterung der Wettbewerbssituation von Speditionen und deren Auftraggebern führen. Darum erscheint es sehr sinnvoll, dass die Anträge auch weiterhin bei den für den jeweiligen Standort der Unternehmen zuständigen Verkehrsbehörden gestellt werden können“, fordert Pigerl-Radtke.
Ein zweiter Kritikpunkt ist die Neuregelung der Gebührenordnung. Zwar sei ein bundesweit einheitliches Gebührenmodell begrüßenswert, da durch die so geschaffene Transparenz die Kalkulation von Transportkosten erleichtert werde. Allerdings zeigten Probeberechnungen, dass Kostensteigerungen bis zum vierfachen möglich seien. „Dies würde die betroffenen Industrie- und Logistikbetriebe zu einem Zeitpunkt hart treffen, an dem sie noch mit den einschneidenden Auftragsrückgängen und Umsatzeinbußen in Folge der Corona-Krise zu kämpfen haben“, unterstreicht Grefe. Deshalb wäre ein vorläufiger Aufschub der neuen Regelungen aus Sicht der IHK wünschenswert.
Die StVO-Novelle werde voraussichtlich in den kommenden Wochen erneut im Bundesrat beraten. Pigerl-Radtke und Grefe appellieren an die 33 ostwestfälischen Abgeordneten, sich dafür einzusetzen, die Leistungsfähigkeit der heimischen Wirtschaftsunternehmen sicherzustellen.