Rekordumsätze im letzten Jahr – jedoch nüchterne Aussichten
International tätige Unternehmen durchleben geopolitisch herausfordernde Zeiten: Derisking, also das Minimieren von Risiken, steht im Vordergrund, nicht mehr Decoupling, das Entkoppeln beziehungsweise Beenden von Wirtschaftsbeziehungen, was etwa bedeuten könnte, dass gar keine Produkte mehr aus China nach Deutschland kämen. Zudem geht es um Diversifizierung der Märkte und die Neusortierung von Lieferketten sowie die Rohstoffsicherung.
Darüber hinaus verstärkt sich die Blockbildung zwischen China/Russland und dem Westen ebenso wie der weltweit langsam aber stetig zunehmende Protektionismus. Und hinzu kommt immer mehr Bürokratie, mithin immer komplexere Gesetzgebungen, Vorschriften und Dokumentationspflichten.
Zu diesen Ergebnissen kommt das „IHK-Exportbarometer Ostwestfalen 2024“, das die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld am 7. Mai 2024 vorgestellt hat. 299 exportorientierte ostwestfälische Industrieunternehmen mit 53.208 Beschäftigten haben sich an der Umfrage beteiligt.
„Das Auslandsgeschäft deutscher Unternehmen sieht sich zunehmenden internationalen Handelshemmnissen, geopolitischen Risiken und einer schleppenden konjunkturellen Entwicklung ausgesetzt. Zusätzlich erschweren Auflagen aus Brüssel und die deutsche Wirtschaftspolitik den Ex- und Import“, sagt Dr. Maurice Eschweiler, Vorsitzender des IHK-Außenwirtschaftsausschusses und Generalbevollmächtigter der DMG MORI AKTIENGESELLSCHAFT.
Besonders bürokratische Hürden und die Unsicherheit bei der Umsetzung von Regulierungen wie unter anderem dem CO2-Grenzausgleichsystems und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz trügen dazu bei. „Die vorliegenden Zahlen sind Ausdruck einer deutlichen Zurückhaltung und verhaltener Zukunftseinschätzung“, betont Eschweiler.
Diese Aussage belegen auch die Umfrageergebnisse: „Die Unternehmen blicken pessimistisch auf das laufende Jahr, die Zahlen der erwarteten Geschäftsbeziehungen sind weiter rückläufig“, erläutert IHK-Geschäftsführer Götz Dörmann.
Wobei die ASEAN-Region beziehungsweise die Türkei jedoch die Erwartungen überträfen und auf Platz 1 und 2 vor den USA liegen. Die Erwartungen für Geschäfte mit Nah- und Mittelost sowie China seien allerdings negativ. Auch der Wegfall des russischen Marktes ist noch nicht kompensiert.
Weiterhin sehr wichtig für die Unternehmen in Ostwestfalen seien die Nachbarmärkte in Europa, die das Auslandsgeschäft stabilisierten, so Eschweiler. Aber „um Kosten einzusparen, Lieferwege zu verkürzen und Risiken zu verteilen, überdenken Unternehmen ihre Investitionen und Produktionsstätten.“
Hervorzuheben sei, dass trotz der eingetrübten Lage, die sich auch in den Ergebnissen der IHK-Befragung widerspiegelten, „die Auslandsumsätze des Verarbeitenden Gewerbes 2023 in Ostwestfalen mit knapp 21 Milliarden Euro einen neuen Rekord verzeichnen.“ Trotz aller Krisen hätten sich speziell die hiesigen Mittelständler im Auslandsgeschäft behaupten können und erneut bewiesen, dass der Export als Wachstumsmotor der ostwestfälischen Wirtschaft diene.
Jedoch sei fraglich, ob das so bleibt, denn laut Umfrage planen 25 Prozent der Befragten Kürzungen bei ihren Auslandsinvestitionen. „Nur 15 Prozent der ostwestfälischen Betriebe nehmen den Nahostkonflikt in Bezug auf ihren Außenhandel wahr“, erklärt Dörmann.
Nach dem starken Anstieg der Auslandsumsätze in den vergangenen Jahren verzeichneten die Auslandsumsätze der Kreise Minden-Lübbecke (-1,3 Prozent), Herford (-3,9 Prozent), Höxter (-5,9 Prozent) und der Stadt Bielefeld (-4,5 Prozent) jeweils einen Rückgang. Die Kreise Gütersloh (+ 1,3 Prozent) und besonders Paderborn (+ 18,5 Prozent) legten bei den Auslandsumsätzen hingegen weiter zu.
„Die Exportquote Ostwestfalens erreicht mit einem Plus von 0,1 Prozentpunkte einen Wert von 41,1 Prozent und bleibt damit auf einem historisch hohen Niveau“, freut sich Dörmann. Aufgrund der Wirtschaftsstruktur bleibe der Abstand zur Exportquote Nordrhein-Westfalens mit 46,8 Prozent und Deutschlands mit 51,6 Prozent dennoch bestehen.