Ansprache von Jörn Wahl-Schwentker, Präsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), zum Jahr 2023:
„Seit dem Beginn der Corona-Pandemie befindet sich Deutschland im Krisenmodus, mittlerweile im dritten Jahr in Folge. Die Energiekrise, ausgelöst durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine, betrifft die heimischen Unternehmen sehr und macht die Geschäftsplanung für das neue Jahr schwierig. Der Fachkräftemangel, steigende Arbeitskosten und die ausufernde Bürokratie setzen die Unternehmen unter Druck.
Das Wirtschaftsjahr 2023 startet also mit vielen Herausforderungen und es war auch schon einmal einfacher, positive Signale zu finden. Aber es gibt sie.
Hoffnung macht beispielsweise, dass die aktuelle Geschäftslage noch recht stabil ist, denn die Auftragsbestände sind in vielen Unternehmen hoch. Hoffnung macht ebenfalls, dass sich die Bundesregierung für den Abschluss weiterer EU-Freihandelsabkommen stark macht, wie zuletzt auf der Asien-Pazifik-Konferenz. Indien, Indonesien und Australien werden so zu noch interessanteren Geschäftspartnern für deutsche Unternehmen. Auch die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit Kanada ist ein starkes Signal.
Durch den Ausbau der Handelsbeziehungen zu anderen Staaten als China entschärfen wir die Lieferkettenproblematik. Wir sollten dennoch nicht den Fehler begehen, bei aller berechtigten Kritik in Menschenrechtsfragen und an den immer autokratischeren Strukturen dort, uns überstürzt aus China zurückzuziehen. Die Suche nach zusätzlichen Lieferanten und möglichen Produktionsstandorten kann allerdings nicht früh genug beginnen.
Diversifizierung statt Decoupling muss die Devise lauten. Zum einen müssen wir neue, zusätzliche Absatzmärkte für unsere Produkte auf der Welt finden, zum anderen benötigen wir neue Zuliefermärkte für die unserseits dringend benötigten Rohstoffe. Beides ist wichtig, damit wir von einzelnen Ländern unabhängiger werden.
Um diese neuen Chancen nutzen zu können, sind Reformen im Inland dringend erforderlich. Beim Bürokratieabbau müssen schnell Fortschritte erzielt werden. Infrastruktur-Planungsverfahren, die sich über Jahre hinziehen, ein Verbandsklagerecht, das es Lobbyisten ermöglicht, Investitionen zu verzögern, oder Genehmigungsverfahren, die einfach nicht vorankommen – all dies verhindert Investitionen und schwächt so Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit.
Bürokratie sollte den Fortschritt strukturieren und planbar machen. Weniger Vorschriften wären ein echtes Konjunkturprogramm. Denn eine robuste wirtschaftliche Entwicklung ist die Voraussetzung dafür, die wachsenden Herausforderungen der kommenden Jahre zu schultern. Politik und Wirtschaft können das nur gemeinsam schaffen. Gehen wir es an.“