Die drei Ampelkoalitionäre haben ihr Regierungsprogramm unter dem vielversprechenden Titel „Mehr Fortschritt wagen“ vorgestellt. Es ist ambitioniert, sollen doch auch eine ganze Reihe wirtschaftlicher Rahmenbedingungen verändert oder angepasst werden. Dabei ist aus Sicht der Wirtschaft jedoch Augenmaß gefragt.
Eines der Megathemen der nächsten Jahre ist der Klimawandel und die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität. Das ist für eine Industrienation ein langwieriger, schwieriger Prozess, der mit hohen technologischen Hürden verbunden ist. Wir wollen zwar nicht, dass unser Wohlstand unsere natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Wir wollen aber auch nicht, dass der Klimaschutz unseren Wohlstand zerstört.
Um diese Transformation richtig managen zu können, müssen wir in Deutschland besser, schneller und agiler werden – und „wir“ heißt eben auch Politik und Verwaltung. Dafür gibt es gute Ansätze im Koalitionsvertrag – etwa den festen politischen Willen, Genehmigungs- und Planungsverfahren drastisch zu beschleunigen. Auch das klare Bekenntnis zu konsequenter Digitalisierung, Innovation und technischem Ideenreichtum lässt hoffen.
Es ist auch sehr zu begrüßen, dass die Ampel-Koalition die EEG-Umlage bis 2023 abschaffen will. Das bedeutet im Wettbewerbsvergleich eine deutliche Entlastung der deutschen Unternehmen, die gegenwärtig bei den Stromkosten gegenüber Unternehmen aus anderen Ländern massiv benachteiligt sind.
Man liest allerdings auch viel Staat in diesem Koalitionsvertrag, also das Bedürfnis der Koalitionäre, die wichtigen Themen, die unsere Gesellschaft zu bewältigen hat, durch staatliches Handeln in den Griff zu bekommen. Hier drohen Gefahren, dass wir den Staat weiter aufblähen. Aber es sind auch immer wieder marktwirtschaftliche Prinzipien eingearbeitet worden. Ich habe die Hoffnung, dass die Transformation der Wirtschaft damit effizienter funktionieren wird, sofern der Staat Freiraum für Privatinitiativen schafft und es möglich ist, im Wettbewerb technologieoffen Lösungen zu finden.
Viele im Koalitionsvertrag angesprochene Ziele sind noch nicht konkret ausformuliert, ihre Finanzierung ist oft mit einem großen Fragezeichen versehen. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass es in Zukunft weniger staatliche Reglementierungen gibt, sondern vernünftige Rahmenbedingungen, die den Unternehmen den notwendigen individuellen Spielraum belassen.
Das stärkt ihre Wirtschaftskraft und die des Staates. Eine solide wirtschaftliche Basis ist zudem der beste Schutz vor Krisen. Je wettbewerbsfähiger die Wirtschaft ist, desto resilienter ist sie auch in schwierigen Situationen. Das gilt insbesondere auch für das kommende Jahr 2022.
(Das Video der Neujahrsansprache von IHK-Präsident Wolf D. Meier-Scheuven ist im Internet abrufbar unter www.ostwestfalen.ihk.de)