Bielefeld ist die Einkaufsstadt der Ostwestfalen, allerdings hat sich der Attraktivitätswert verschlechtert und bei der Weiterempfehlungsquote schneidet das ostwestfälische Oberzentrum vergleichsweise schlecht ab – so lauten die zentralen Ergebnisse der Studie „Vitale Innenstädte“, deren Teilergebnisse am 8. Februar 2023 in der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) vorgestellt wurden.
Neben der IHK beteiligten sich noch der Handelsverband Ostwestfalen-Lippe e. V. und die Bielefeld Marketing GmbH an der Erhebung. Insgesamt wurden 232 Interviews mit Passantinnen und Passanten in der Bielefelder Innenstadt geführt. Die Untersuchung ist Teil der bundesweiten Studie „Vitale Innenstädte‘“ des Instituts für Handelsforschung Köln (IFH), an der 111 Städte aus unterschiedlichen Größenklassen teilgenommen haben.
Den bundesweiten Ergebnissen liegen knapp 69.000 Interviews zugrunde. Der Ortsgrößenklasse 200.000 bis 500.000 Einwohner gehören 15 Städte an. Bundesweit wird die Attraktivität der Stadtzentren mit der Schulnote 2 minus bewertet. Die Mehrzahl der Städte schneidet laut IFH bei der Weiterempfehlung schlecht ab, insbesondere bei jungen Leuten.
In Bielefeld waren rund zwei Drittel der Befragen Einheimische, ein Drittel waren auswärtige Besucher. Am Samstag war der Anteil der Auswärtigen höher. „Hierdurch wird die Bedeutung Bielefelds als Einkaufsstadt klar. Dabei kommen die Besucher zum größten Teil aus der Region und dem angrenzenden Niedersachsen“, erläutert IHK-Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke.
Gefragt nach der Attraktivität der Stadt kam Bielefeld auf ein glattes Befriedigend und lag damit leicht unter den Umfragewerten aus 2020 (2,8) und 2018 (2,7). Dennoch war gut die Hälfte der Befragten der Meinung, dass sich die Attraktivität der Bielefelder Innenstadt in den vergangenen Jahren verbessert hat. Im Vergleich zum Ortsgrößendurchschnitt steht Bielefeld damit besser da. Allerdings waren auch knapp über 22 Prozent der Meinung, dass sich die Attraktivität verschlechtert hat.
Zum ersten Mal wurde in der Untersuchung die Weiterempfehlungsquote abgefragt. Der sogenannte „Net Promoter Score“ bildet die Wahrscheinlichkeit ab, dass die befragten Personen die Innenstadt an Freunde oder Bekannte weiterempfehlen würden. Dabei erreicht Bielefeld einen Wert von minus 51 Prozent. Der Ortsgrößendurchschnitt erreicht einen Wert von 0,4 Prozent, der Gesamtdurchschnitt aller teilnehmenden Städte liegt bei minus 7,2 Prozent. Die Einkaufsstadt Bielefeld wird also von einer Mehrheit der Befragten nicht an Freunde und Bekannte weiterempfohlen.
Bei den Parametern Einzelhandelsangebot, Gastronomieangebot, Freizeit- und Kulturangebot, Dienstleistungsangebot oder Veranstaltungen liegt Bielefeld mit Durchschnittsnoten von 2,3 bis 2,6 im positiven Bereich, allerdings fällt der Abstand zum Benchmark wiederum deutlich aus. Das Einzelhandelsangebot in der Stadt wird als zufriedenstellend bezeichnet, auch wenn die Bewertung über alle Sortimente leicht zurückgegangen ist.
Insbesondere das Thema Nahversorgung ist aus Sicht der Befragten ein Problem. „Fast könnte man meinen, dass die Bielefelder kritischer seien als an anderen Orten. Ein Beispiel ist das Lebensmittelangebot in der Fußgängerzone mit einer Benotung von 3,1 beziehungsweise 3,0 und das, obwohl wir im Karstadt-Untergeschoss und im LOOM zwei sogar große Vollsortimenter haben. Zusätzlich kommen in der Altstadt der Nahkauf oder auch Klötzer hinzu, sowie der Wochenmarkt auf dem Alten Markt oder der neue Harmsmarkt. Vielleicht ist das vielen Besuchern nicht so präsent und wir müssen hier nachjustieren.
Für die anderen Sortimentsbereiche spiegelt sich hier auch der Abgang beziehungsweise Verlust von Anbietern wider: Beispielhaft dafür sind das zusätzliche H&M Kinder- und Baby-Modegeschäft, ZERO, s.Oliver oder GÖRTZ Schuhe, die eine Lücke im Angebot hinterlassen beziehungsweise hinterlassen haben“, sagt Thomas Kunz, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands.
„Luft nach oben“ sieht die IHK-Hauptgeschäftsführerin bei den Faktoren Aufenthaltsqualität, Ambiente, Flair und Erlebnis. Bei der Frage nach der Stadtbegrünung liegt das Ergebnis bei einem Wert von 3,7 und beim Thema Sauberkeit ist der Wert in den vergangenen zwei Jahren von 2,8 auf 3,4 abgerutscht. „Hier besteht deutlicher Handlungsbedarf“, so Pigerl-Radtke. „Wir denken, dass Bielefelder und Besucher aus dem Umland die Stadt nach Altstadtversuch und Jahnplatzumbau wieder positiver sehen werden. Daran wollen wir alle gemeinsam arbeiten.“
Gefragt nach ihren Wünschen sagen 43 Prozent, dass sie sich über ein zusätzliches Lebensmittelangebot freuen würden, 38 Prozent würden den Ausbau von Außengastronomie begrüßen. Neben Handel und Freizeitmöglichkeiten gehören auch innerstädtisches Wohnen sowie ein umfangreiches Dienstleistungs- und Bildungsangebot mit auf die Wunschliste der Befragten.
„Die Ergebnisse zeigen deutlich die Perspektiven für die Bielefelder Innenstadt: Mehr Aufenthaltsqualität, mehr Inspiration, mehr grün, also ein klarer Auftrag an die Bielefelder Stadtentwicklung“, fasst Martin Knabenreich, Geschäftsführer der Bielefeld Marketing GmbH, die Umfrageergebnisse zusammen.
Die IHK, der Handelsverband und Bielefeld Marketing haben sich zum vierten Mal an der Studie „Vitale Innenstädte“ des IFH Köln beteiligt. Der Erhebungszeitraum der aktuellen Studie war am 22., 24. und 29. September sowie am 1. Oktober 2022. Die Interviews wurden am Jahnplatz/Bahnhofstraße, Jahnplatz/Niedernstraße und am Alten Markt geführt. Zu der Ortsgruppenklasse von 200.000 bis 500.000 Einwohnern gehören neben Bielefeld noch die Städte Aachen, Bonn, Braunschweig, Chemnitz, Erfurt, Freiburg, Karlsruhe, Kassel, Krefeld, Lübeck, Mannheim, Mönchengladbach, Rostock und Wuppertal.